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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0239
Besprechungen

wo dies überhaupt vorhanden ist. Die mündliche Geschichtsforschung kann aber bisher vernachlässigte sozial
-, generations- und geschlechtsspezifische Erfahrungen und Mentalitäten ins Blickfeld der
Forschung rücken.

Darmstadt Alfred Georg Frei

Köln nach dem Nationalsozialismus. Der Beginn des gesellschaftlichen und politischen Lebens in den
Jahren 1945/46. Hrsg. von Otto Dann. Wuppertal: Peter Hammer 1981. 260 S.

Die Autorengruppe um den Kölner Historiker Otto Dann möchte mit ihrem Buch »eine Studie vorlegen,
die für die Situation der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft eine gewisse Allgemeingültigkeit beanspruchen
kann« (S. 11). Dies hofft sie am besten durch eine Lokalanalyse zu erreichen.

Ein kursorischer Überblick soll zunächst Voraussetzungen und Vorbedingungen der Entwicklung in
der Nachkriegszeit zeigen: Anpassung, Widerstand und Zerstörung. Ausführlicher und plastischer
beschreibt im Anschluß daran G. Brunn die »Rahmenbedingungen des gesellschaftlichen Lebens« in Köln
(S. 53 ff.). Mit 53 000 Toten mußte Köln für den furchtbaren Traum vom »tausendjährigen Reich« bezahlen
(S. 41). Brunn arbeitet heraus, wie NS-Herrschaft und Krieg zur »Zerstörung tausender sogenannter
>kleiner Milieus< und Nachbarschaftsverhältnisse« sowie zur fast vollständigen »Räumung der traditionellen
Arbeiterwohnbezirke der inneren Stadt« führten (S. 44), was wichtige Folgen für den politischen
Wiederaufbau haben sollte. »Kölner mit herausragender gesellschaftlicher oder finanzieller Stellung«
blieben auch in den Nachkriegsjahren privilegiert (S. 55). Besonders interessant ist Brunns Nachweis, daß
die Form des städtischen Wiederaufbaus kein Ergebnis von Sachzwängen, sondern von politischen
Auseinandersetzungen war (S. 64ff.). Weiter kann er zeigen, welch große politische Bedeutung die frühe
Gründung der scheinbar unpolitischen Industrie- und Handelskammer hatte (S. 68). Gegenüber diesen auf
der Grundlage intensiver Akten- und Zeitungsauswertung erarbeiteten Ergebnissen fällt der zwar
lokalpatriotische, aber wenig analytische Schluß des Beitrags (S. 71 f.) etwas ab. - Wenig interpretierenden
Zugriff verrät insgesamt der Beitrag über die britische Besatzungspolitik. Interessant sind Hinweise aus den
Akten, die die Problematik von Memoirendarstellungen, hier am Beispiel der Adenauerschen Ausführungen
, deutlich machen (S. 80). - In seinem Beitrag über die antifaschistischen Ortsausschüsse zeigt
D. Hirschberg, wie die von Anfang an von Christdemokraten dominierte Stadtverwaltung diese Stadtteilgruppen
links liegen ließ. Vergleichende Interpretation verdiente der Hinweis, »daß in den selbständig
entstandenen Kölner Ortsausschüssen die industriellen Arbeiter und Facharbeiter deutlich unter-, die
Selbständigen deutlich überrepräsentiert« waren (S. 107). Nach der Bestätigung der christdemokratischen
Vorherrschaft durch einen überwältigenden Wahlsieg der CDU betrieb die Stadtverwaltung die Entmachtung
der Ortsausschüsse, die in deren Auflösung im Jahr 1951 mündete. - Die Ursache für die große Stärke
der Kölner CDU verortet H. ]. Arentz in der ausgeprägten katholischen Infrastruktur der Stadt. Er geht
jedoch nicht der Frage nach, wie es die CDU schaffte, in den Nachkriegswahlen die 25 Prozent
Wählerstimmen, die das Zentrum 1933 errungen hatte, glatt zu verdoppeln. - In einem spannend
geschriebenen Beitrag arbeitet O. Dann heraus, warum es der SPD nicht gelang, ihren moralischen
Führungsanspruch in praktische Politik umzusetzen. Trotz großer Offenheit gegenüber neuen Fragen und
Formen schaffte sie es genausowenig wie die KPD, die jüngere Generation für sich zu gewinnen (S. 148,
178). Die SPD konnte zunächst nicht damit fertig werden, daß sie »nicht mehr eingebettet in die Landschaft
einer breit gefächerten Arbeiterkultur und -Vereinsbildung« war (S. 169). - Auch die KPD fand in der
Nachkriegszeit nicht die Rolle, die sie suchte. R. Billstein beschreibt ihr Dilemma, »Partei des Aufbaus«
(S. 183) sein zu wollen, von den anderen politischen Kräften aber nicht an diesem Aufbau beteiligt zu
werden. Sie zog sich daraufhin auf die Interessenvertretung ihrer Arbeiterwähler zurück, was ihr dann
wiederum den Vorwurf der Verantwortungslosigkeit gegenüber dem gemeinsamen Aufbauziel einbrachte.
- Im Anhang stellen die Autoren wichtiges Datenmaterial, kurz eingeleitete Dokumente und eine Chronik
der Jahre 1945 und 1946 zusammen. Diese Sammlung vergrößert den Gebrauchswert des Buches, auch für
den Einsatz im Unterricht.

Der Sammelband kann in doppelter Hinsicht als gelungen bezeichnet werden: dadurch, daß darin
verschiedene Aspekte der historischen Entwicklung berücksichtigt werden, ist er räumlich breiter
ausgreifenden Darstellungen, die sich auf eine Fragestellung beschränken, an Aussagekraft und Anschaulichkeit
überlegen. Besonders deutlich wird dies in einer längeren Passage, in der der Herausgeber selbst die
parteipolitische Entwicklung in einem Stadtteil beschreibt (S. 153 ff.). Zum zweiten zeigt der Band, wie

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