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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0240
Neues Schrifttum

fruchtbringend forschendes Lernen, d. h. die Einbeziehung studentischer Arbeiten, aus denen einige der
Beiträge entstanden sind, für die historische Forschung sein kann. Einige Defizite in Interpretation und
Analyse können den positiven Gesamteindruck des Buches nicht stören.

Darmstadt Alfred Georg Frei

Max Bruecher: Freiburg im Breisgau 1945. Eine Dokumentation. Freiburg: Rombach 1980.

Die Arbeit, die sich Max Bruecher mit der Zusammenstellung der Dokumentation >Freiburg im
Breisgau 1945< gemacht hat, ist aus zwei Gründen sehr verdienstvoll: Zum einen sind die schriftlichen
Dokumente aus dem Jahr 1945 sehr rar und besonders für den lokalen Bereich schwer aufzufinden. Zum
anderen ist es wichtig, sich gerade mit den Ereignissen des ersten Nachkriegsjahres zu befassen, um die
folgenden Entwicklungen nachvollziehen zu können. Die Entscheidungen, Versuche und Versäumnisse
dieser allerersten Wochen und Monate nach dem Zusammenbruch der Hitlerdikatur bilden die Voraussetzung
für die Entwicklung der nächsten Jahre, deren Verlauf für viele, die sich mit dieser Zeit beschäftigen,
unverständlich geblieben ist: Warum ist es nach 1945 nicht zu einer weitgehenden Neuordnung gekommen?
Hätten nicht alle Erfahrungen im Zusammenhang mit der nationalsozialistischen Machtergreifung notwendigerweise
zu einer Umgestaltung des politischen und wirtschaftlichen Systems führen müssen? Die
Analyse der Frühphase der Besatzung auf der lokalen Ebene macht es besser einsehbar, warum diese
angedeutete Logik für die Menschen damals nicht so zwingend und dringend war, wie sie uns erscheint. Die
abgedruckten Dokumente schildern eindringlich, wie schwer es den Freiburgern fiel, sich den Anordnungen
der Franzosen und den von der Militärregierung eingesetzten deutschen Stellen unterzuordnen. Die
Internierung politisch Belasteter, das Heranziehen Jugendlicher zu Auf räumarbeiten, die Requirierung von
Wohnungen und die Entnazifizierung mobilisierten ein Gerechtigkeitsgefühl, das schon lange verschüttet
zu sein schien.

Bei dem großen Fliegerangriff am 27. 11. 1944 war beinahe die Hälfte der Stadt völlig zerstört worden.
Die Stadt mußte nicht nur die dabei entstandenen Schäden an Wohnungen, Straßen und öffentlichen
Gebäuden beseitigen und die öffentlichen Dienstleistungen wieder in Gang bringen; es mußte auch in
großem Maße Wohnungen und Verwaltungsgebäude für die französische Besatzungsmacht bereitgestellt
werden, die - ebenso wie die deutschen Stellen - Freiburg zum südbadischen Verwaltungszentrum wählten.

Eines der drängendsten Probleme war die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. Die
größeren Städte der französischen Zone hatten die geringste Kalorienmenge aller vier Besatzungszonen zur
Verfügung. Diese schwierige Situation spitzte sich vor allem während des Hungerwinters 1946/47
bedenklich zu. Einer Schilderung der Notlage in der Stadt durch den Oberbürgermeister vom 11.2. 1947
folgen knappe Einzelfallberichte der städtischen Fürsorgestellen, in denen Hunger, Krankheiten und
Entbehrungen ein Bild entstehen lassen, das nur schlecht mit Vorstellungen von Mitteleuropa im
20. Jahrhundert in Einklang zu bringen ist.

Zu diesen drückenden materiellen Sorgen kamen Egoismen von Einzelpersonen und von Institutionen,
mit denen sich die deutsche und die französische Verwaltung auseinanderzusetzen hatte: Die Universität
hatte schon zwei Tage nach dem Einmarsch der französischen Truppen eine neue Spitze gewählt und
forderte von diesem Zeitpunkt an unablässig städtische und französische Hilfe für die Wiederinstandsetzung
von Gebäuden und bei der Wiederaufnahme des Lehr- und Forschungsbetriebes. Der Rektor wandte
sich gegen die Requirierung von Wohnungen der Universitätsangehörigen und beklagte die Entnazifizierung
nach politischen Grundsätzen, die Mitglieder der Universität zu Unrecht treffe. Ihre Forderungen
gründeten die Universitätsprofessoren auf die, wie sie meinten, unbeugsame Haltung vieler Universitätsangehöriger
während des Nationalsozialismus und auf die wichtige wirtschaftliche Position der Universität
innerhalb der Stadt.

Dem Wiederaufbau der Parteien und dem Wirken der Antifaschistischen Ausschüsse widmet Bruecher
nur knapp drei Seiten. War ihre Rolle wirklich so untergeordnet, war die Bevölkerung so sehr von ihren
alltäglichen Sorgen in Anspruch genommen, daß sie sich für das politische Leben, also auch für
Diskussionen über eine neu zu gestaltende Zukunft, überhaupt nicht interessierte? Fast scheint es so zu sein,
der Blick auf andere südbadische Städte jener Zeit bestätigt diesen Eindruck. Jedoch, ganz ohne
Weltanschauungen lebte man auch damals nicht. Man lehnte sich in diesen schweren Zeiten an die Kirchen
an, bei einem Katholikenanteil von 70% in Südbaden vor allem an die katholische Kirche. Bruecher
schreibt: »Seine Eminenz Erzbischof Dr. Konrad Gröber war 1945 nach dem Einmarsch der Franzosen der

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