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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0066
Manuel Werner

mit unsrer Gemeinde nicht in der geringsten Verbindung, so daß er durchaus keine für die
Erhaltung der Religion noch so wichtige Verfügung erlassen kann, und nicht einmahl
während dieses neunjährigen rabbinischen Interregnums in unsrer Synagoge darschenen
(rabbinisch predigen) durfte55*. Demnach kann er als blosser Privat-Mann nicht auch
zugleich den Rabbiner spielen, und man braucht ex demonstratis einen Rabbiner.

d) Dispeck ist ein Söldling von Privaten, ist dem Willen einzelner Personen unterthan und kann
als solcher nicht auch zugleich eine öffentliche Stelle verwalten. So z. B. kann man sich in
keinem Falle auf ihn verlassen, da ihm von seinen Privat-Vorgesetzten die Rabbinats-
Verwaltung in jedem Augenblicke untersagt werden kann. Er kann daher als Privatdiener
nicht auch Staatsdiener seyn, und man braucht eo ipso einen Rabbiner.

e) Dispeck ist blos ein Ausländer, der sich nur auf Polizey-Erlaubniß hier aufhält, er darf also
gesetzmäßig nicht mehr die rabbinische Function versehen, da jetzt ein befähigter Innländer
vorhanden ist, und muß also dieses Recht mir abtreten. Frey lich hat er bis jetzt den Rabbiner
gemacht und will ihn auch ferner machen, blos für die Accidenzien! Allein zeigt das, da er im
Besitze eines bedeutenden Vermögens ist und einen starken Sold hat, zeigt das von einem der
heiligen Würde eines geistlichen Beamten entsprechenden Charackter? Sollte er nicht
vielmehr unter solchen günstigen Verhältnißen anstatt die Gemüther gegen mich zu erhitzen,
diese Function, die ihm vielleicht jährlich 40-50 fl. trägt, frey willig niederlegen, um mir nicht
das Brod zu rauben f »Doch die Last ist zu groß, auch einen Rabbiner zu besolden«, aber auch
dieses ist unbegründet und darum

II. Widerlegung des Grundes, daß man keinen Rabbiner bezahlen könne.

a) Der verstorbene Landesrabbiner Loeb Aach hatte 280fl. festen Gehaltes nebst Accidenzien,
selbst noch mehrere Jahre nachdem die Kaulla's bereits ausgewandert waren. Nie wurde
damals diese lästige Auflage bestritten, und wie würde sie jetzt noch bestritten werden
können, wenn er noch beym Leben wäre?

b) Dispeck ist ein sehr bejahrter Mann, das Rabbinat muß also wieder besetzt werden -früher
oder später - einmal muß es ja doch geschehen!

c) Dem Lehrer Epstein wurde 150 fl. am Gehalte abgebrochen, welche also füglich zu meinem
Gehalte geschlagen werden könnten.

d) Nach der Berechnung meines Vaters, eines Mannes, der schon 30 Jahre der Gemeinde als
Deputirter dient, ist die Last durchaus nicht so drückend, als sie vorgestellt wird. Die
Dürftigen sind frey von dieser Abgabe, und die Bemittelten hätten von 24 kr bis höchstens
6fl. zu entrichten! Wird dieser-wird jener-davon arm werden?? »Doch wir müssen jetzt die
Synagoge bauen.« Wohl wahr! Allein, ist nicht ein Fond zu diesem Baue da, und wird nicht
dadurch 100 fl. als Honorar für das Local der Volksschule erspart?

e) Ich kann und will ja nicht vorschreiben, wie viel Gebalt man mir ausstelle, aber meine
Ansprüche können nicht so gerade zu abgewiesen werden, der nach der Constitution der
übrigen deutschen Staaten ich, als Ausländer, nicht in amtliche Dienste aufgenommen
werden darf, und ich also blos auf mein Vaterland angewiesen bin. Wo soll ich hin, was soll ich
thun, wenn auch diese Zuflucht mir verschlossen wird? Wie! Soll meine Mühe, die ich mir
während meiner Studienzeit gab, vergebens gewesen seyn; soll mein Eifer ohne Wirkungskreis
erkalten, wer wird dann ferner noch der Wissenschaft leben? Soll ich brodlos in der
weiten Welt umherirren, während ein Fremdling in meiner Vaterstadt auf der mir
gebührenden Stelle in Ueberfluß schwelgt? Nein, nein! Eure Hochfürstliche Durchlaucht

555 Derash, Derush, Derashah (von der Wurzel darash = auslegen, interpretieren) bezeichnet ursprünglich
eine Methode der Auslegung von Bibelversen. Unter Derashah (Auslegung) versteht man die Homilie
oder Predigt (als aktualisierende Interpretation der Bibel). Die Sprache der Predigt war meist Jiddisch, selten
hebräisch und erst seit der Emanzipation die jeweilige Landessprache. - Siehe hierzu auch JRS, S. 41 ff. und
KLJ, S. 76 und 244f.

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