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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0067
Die Juden in Hechingen als religiöse Gemeinde

werden gewiß mir Recht und Billigkeit, Huld und Gnade angedeihen lassen, und der
israelitischen Gemeinde den Wunsch allergnädigst zu erkennen gehen, daß sie mich zum
Landrabbiner meines Vaterlandes aufnehme!
Und in der Hoffnung allergnädigster Willfahrt dieser meiner Bitte verharrt in tiefster
Unterthänigkeit Eurer Hochfürstlichen Durchlaucht allerunterthänigster

Samuel Wolf Mayer, Doctor der Philosophie und Rabbinats-Candidati5b

Erbprinz Friedrich Wilhelm Constantin begutachtete im Jahre 1829 die Eingabe des
Rabbinatskandidaten. Er befürwortete - vermutlich vor der Geheimen Konferenz - die
Anstellung Dr. Mayers als Rabbiner auch gegen den Willen der Gemeinde, vergleicht das Amt
des Rabbiners mit dem des Pfarrers und hebt die Notwendigkeit solch einer Institution hervor:

Doctor Mayer von Hechingen bittet seinen Landesfürsten, ihn als Rabbiner bei der hiesigen
Juden-Gemeinde anzustellen.

Die Gemeinde giebt zu erkennen, sie bedürfe keinen Rabbiner, um so mehr, da dieselbe zur
Noth den im Kaullaischen Institute angestellten Talmud-Lehrer Dispeck als Rabbinats-
Verweser gebrauchen könne: auch sey der gehörige Fond nicht vorhanden, einen eigenen
Rabbiner zu erhalten. Hier entsteht nun vor allem die Frage

a) bedarf die hiesige Judengemeinde einen Rabbiner?

Ein Rabbiner ist meines Erachtens, was bei der christlichen Religion ein Pfarrer ist, nemmlich
der Lehrer der Religion und Moral wie auch der Vorsteher und Vertheidiger der Glaubens-
Gesetze: eine Gemeinde ohne Hirt, ohne kirchliches Oberhaupt ist nicht gedenkbar! -

b) Hat der Staat das Recht, einen Rabbiner gegen den Willen der Gemeinde zu ernennen?
Allerdings! ein Rabbiner ist nicht nur als Juden-Diener zu betrachten, er ist als Vorsteher
eines religiösen Glaubens-Bekenntniß Staatsdiener. Das religiöse Wohl einer Gemeinde zu
befördern ist die heiligste Pflicht jeder Regierung: Religion und Moral sind die Grund-Pfeiler
eines jeden Staats, daher müßen sie auch mit aller Strenge gehandhabt werden. Die
Judengemeinde wird freilich hier antworten, wir sind zu arm, einen Rabbiner zu erhalten.
Geiz, Liebe zu ihrem alten Schlindrian, mitunter auch wahre Armuth zwingen sie zu dieser
Ausflucht. Aber ich beantworte dieses mit folgender Frage: welche Antwort würde eine
Regierung einer christlichen Gemeinde geben, wenn dieselbe keinen Pfarrer mehr besolden
wollte, mit der schlichten Ausrede, sie sey zu arm, einen Geistlichen zu erhalten: dabei aber
ihre Abgaben undZinsen richtig bezahlt und auch nach Möglichkeit die Armen unterstüztfff
Religion und deßen Vorstehergehen vor allem, wenn diese fehlen dann wehe der Gemeinde,
wehe dem Staat.

c) Besitzt Obgenannter Candidat die gehörigen Eigenschaften eines Rabbiners?

Nach seinen guten Zeugnißen, seiner Doctor-Würde der Philosophie, seines wackern
Aufsatzes, dabei Landes-Kind, allerdings ja. Doch wäre hier durch ein Examen von
Sachverständigen ein Gutachten zu verlangen und abzuwarten. Die Juden-Deputation kann
hier vielleicht einwenden, der Lehrer Eppstein könne den Dienst als Rabbiner übernehmen,
aber Eppstein, wenn er seinen Beruf strenge erfüllt, kann nicht zwey so heilige Dienste
versehen noch entsprechen, so wenig als ein Lehrer einer christlichen Gemeinde Pfarrer
werden kann. Wenn die Kinder die Schule verlaßen und ins bürgerliche Leben eintretten, so
bedürfen sie stets ihr ganzes Leben hindurch einen Religions-Vorgesetzten aber keinen
Schullehrer mehr. Daher stimmte ich mit inniger Überzeugung für die Ernennung eines
Rabbiners für die hiesige Hebräer-Gemeinde: welcher durch strenge Sitten, weise Moral,
göttliche Religion, dabei stets im Geist des Zeitalters handelnd, seine Nation auf eine fromme
gebildete Stufe bringt*".

556 Personalien des Rabbiners Dr. Mayer. Lageron: StAS Ho 235 I-X 1230.

557 Ebd.

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