Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0086
Manuel Werner

die anschließende Untersuchung durch, d. h. er ist gleichzeitig der Fleischbeschauer. Auch dafür
wurde er in Theorie und Praxis ausgebildet. Das Fleisch darf weder »newela« (wörtlich:
verendet), noch »terefa« (wörtlich: zerrissen) sein. Das Muskelstück am Hüftgelenk muß vom
Schächter entfernt werden. Um nun das Fleisch vollends »koscher« (d. h. nach den jüdischen
Speisevorschriften für den Verbrauch zugelassen) zu machen, muß der Schächter alles Fett
zwischen oder an dem Fleisch vorschriftsmäßig herausschneiden und Adern und Häute
heraustrennen (»Porschen«, »Nikur«). Damit hat er seine Aufgaben in bezug auf die koschere
Zubereitung von Fleisch beendet. Für das weitere ist die Hausfrau zuständig609.

Einer der Hauptvorwürfe der christlichen Metzger gegen die israelitische Bevölkerung in
Hechingen war, daß das Schächten und die damit verbundenen eigenen Schlachthäuser, der
eigene Fleischverkauf und die eigenen Schächter ihre persönlichen Verdienstmöglichkeiten
verringere. So beschwerte sich beispielsweise im Jahre 1699 ein Metzger darüber, daß die Juden
in ihren Häusern und in den Dorfschaften schlachteten und das übrige, nicht den Reinheitsbestimmungen
entprechende Fleisch unter der Hand an die Bürger verkauften. Daraufhin erging
der Bescheid, die Juden dürften nicht selbst schlachten, sondern mußten bei den hiesigen
Metzgern schlachten lassen610.

Vom 24. November 1780 liegt in den Stadtgerichtsprotokollen611 eine Beschwerde der
Hechinger Judenschaft gegen die Metzger vor. Sie richtet sich vor allem dagegen, daß dieselben
dem Schächter dasjenige nicht mehr abgeben wollten, was selben von jedem Stück gebührte. Der
Bescheid des Stadtgerichts ging u. a. dahin, daß ein Schächter von einem Rind nicht mehreres
abzufordern befugt seye, als was eben angebrachtermassen sein Vorfahrer genossen hat, wobey
es doch jedem Mezger unverwehrt bleibt, aus gute etwas mehrers zu erlauben, fals es dem
Handwerck zu keinem prejudiz gehet.

In Hechingen haben vor 1800 traditionsgemäß schon immer zwey Schächter fungiert, wie
aus einem Schreiben des Lehrers Mayer Löb Ellinger vom 7. Februar 1819 an die Fürstliche
Regierung hervorgeht612.

Der Hechinger Oberrabbiner und Oberaufseher im Kaullaischen Stift stellte 1818 dem
Haigerlocher Salomon Holländer folgendes Schächterzeugnis613 in hebräischer Sprache aus,
dessen Echte ebersetzung der Rabbiner von Haigerloch, Raphael Civi, ateschterd:

Salomon Sohn David von Haigerloch studirte hier im Kaulaischen-Stift mit großem Eifer, da
aber ein bloßes Studium ohne Gewerb endlich aufhören muß, Salomon aber eine angenehme
Stimme hat, und diese Anlage einst zu seiner Unterhaltung anzuwenden gesonnen ist, wobey er
auch die Schächter-Provision zu treiben gedenkt So lernte derselbe bey dem Vorsinger zu
Haigerloch, das zu meinem Rabbinat gehört, das Schächt-Messer abziehen, die Vorschriften
eines Schächters, verfaßt von Rabbi Jakob "Weil seligen Andenkens, laut Zeugniß des Salomon
mir von demselben überlieferte, womit er atestirt, daß Salomon David im Untersuchen der
Lunge, sowohl als im Schächten, ob er gleich von Kleiner Natur sey, doch fähig ist und
hinlängliche Kraft besitzt. Salomon zog in meiner, in des Stadt-Schächters, und noch in mehreren
Schächters Gegenwart 3 Messer ab, welche so wohl fein als scharf waren. Auch fühlt er die
kleinste Scharte, ist auch in obgenannten Vorschriften eines Schächters völlig bewandert.
Salomon schachtete auch in unsrer Ggenwart 3 Stück Geflügel, worunter ein Hahn war,
vorschriftlicher Weise. Ich ertheile ihm daher die Erlaubniß, seine Provision überall zu treiben,
mit Bedingniß, dem Orts-Schächter keinen Schaden dadurch zuzufügen. Es ist erlaubt, von
seinem geschlachteten Vieh zu essen, sowohl als von andern geprüften Schächtern. Salomon
gelobte auch, jedes mal die Lunge heraus zu nehmen, sie mit den Augen und nicht nur allein

609 Vgl. JRS, S. 147-171.

610 Vgl. ChH III, S. 128.

611 Stadtgerichtsprotokolle (1778-1801), Folio A14. Lagerort: SAH.
•612 Lagerort: StÄS Ho 6 Akten Zettelrepertorium 283.

613 Lagerort: StAS Ho 86 NVA II 14 560.

82


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0086