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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0092
Manuel Werner

anzuzeigen, oder sich dann aller Einsprüche zu enthalten. Gott verleihe ihnen seinen Segen! Die
Trauung durfte nur in der Synagoge vorgenommen werden (§6). Das Vorausgehen von
Musikanten wurde in Hechingen im Gegensatz zur Württembergischen Synagogenordnung
geduldet645. Das Bedecken des Brautpaares mit dem Gebetsmantel wurde nicht mehr gestattet.
Die Gemeinde mußte für einen anständigen Baldachin sorgen (§ 8). Die Trauung wurde nach
einem Formular, das mir nicht vorliegt, vorgenommen. Nachdem dem Bräutigam und der Braut
die vorgeschriebenen Fragen vorgelegt worden waren, sprach der Rabbiner den ersten Segen,
der Bräutigam steckte vor zwei Zeugen den Trauring an den Finger der Braut und sprach dabei
die übliche Formel, danach verlas der Rabbiner den Traubrief und die sieben Segenssprüche.
Zum Schluß erklärte der Rabbiner die Ehe für geschlossen, sprach ein deutsches Gebet und gab
den Neuvermählten den Segen (§§ 10-12). Nicht mehr erlaubt waren die Bräuche, ein Glas zu
zerbrechen, das Herumführen der Braut um den Bräutigam, das Darreichen eines Fläschchens
statt zweier Gläser, die Fragen des Rabbiners, ob der Trauring Eigentum des Bräutigams sei und
ob er den Wert einer Pruto646 habe und dergleichen (§13). - §14 regelte das ordentliche
Verhalten derer, die der Zeremonie beiwohnten647.

Bis zum Jahre 1839 wurden Christen und Judenhochzeiten auf dem Rathaus abgehalten,
weil es an öffentlich benutzbaren Saalbauten mangelte648. Dabei handelte es sich wohl um das
der Trauungszeremonie folgende Hochzeitsmahl. Seit Mitte des Jahres 1839 wurden entsprechende
Genehmigungen jedoch nicht mehr erteilt, wie folgender Auszug aus den Stadtgerichtsprotokollen649
zeigt: Vom Bürgermeister Werner wird vorgetragen, daß bereits 2 Juden
nachgesucht haben, ihre Hochzeiten auf dem städtischen Rathhause, wie bisher gewöhnlich der
Fall gewesen, halten zu laßen. Bei diesem Anlaße wünsche er Beratung und Abstimmung
darüber, ob den gegenwärtigen Bittstellern entsprochen werden solle, und ob diese Bewilligung
auch künftig zu ertheilen sei oder nicht. - Beschluß: Die Abhaltung von Judenhochzeiten auf
dem städtischen Rathhaus für jetzt und künftig nicht mehr zu gestatten.

b) Beschneidung

Am achten Tag nach seiner Geburt wird ein jüdischer Junge beschnitten. Damit wird das
Kind in den Bund Abrahams aufgenommen. Die Beschneidung kann überall vorgenommen
werden - in der Synagoge nach dem Morgengebet, im Krankenhaus oder - wie in Hechingen
üblich - im eigenen Haus. Die Vornahme der Beschneidung ist Aufgabe von Männern, die dazu
eigens ausgebildet sind und ein Zeugnis erhalten haben (Mohel) . Der »Sandak« (Gevatter)
hält das Kind während der Beschneidung. Bei der Beschneidung nimmt der Sandak auf der
linken Seite eines doppelsitzigen Stuhles Platz. Die rechte Seite ist symbolisch für den
Propheten Elija bestimmt, der als Zeuge bei der Aufnahme in die Gemeinschaft Abrahams
gilt651. Der Mohel steht vor dem »Stuhl Elijas«. Der Sandak nimmt das Kind entgegen und
reicht es dem Mohel, der es auf das Kissen des Elijas-Stuhls legt. Nachdem der Mohel seine
Vorbereitungen getroffen hat, hebt er das Kind samt Kissen hoch und legt es dem Sandak auf die

645 Vgl. 2. Synagogenordnung (Die Einführung einer neuen Synagogenordnung).

646 Pruta = kleinste jüdische Kupfermünze.

647 Vgl. Gottsdienst-Ordnung für die Synagogen des Königreiches Württemberg. Stuttgart 1838.
Lagerort: HHBH, R.8. - Zum Familien- und Erbrecht siehe C, S. 210-212.

648 Vgl. ChH III, S.230.

649 Stadtgerichtsprotokolle 1834-1843, Folio A 20, Actum den l.Juni 1839. Lageron: SAH.

650 Vgl. Kapitel IX. Das Kultuspersonal unter 6. Beschneider (Mohel).

651 Die Popularität des Propheten Elija äußert sich in zahlreichen jüdischen Volksbräuchen. So
symbolisiert ein freier Stuhl dessen Anwesenheit bei der Beschneidung eines Neugeborenen. Dieser Brauch
hängt wahrscheinlich mit der auf Elija gedeuteten Bezeichnung »Bundesengel« in Mal 3,1 zusammen (Vgl.
KLJ, S. 88).


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