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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0093
Die Juden in Hechingen als religiöse Gemeinde

Knie. Mit dem scharfen Beschneidungsmesser entfernt der Mohel nun die Vorhaut und saugt
mit einem Glasröhrchen die Wunde aus. Über einem Becher Wein sagt er einen letzten
Segensspruch und gibt dem Knaben feierlich seinen hebräischen Namen652. Er gibt dem Kind
einige Tropfen Wein. Auch der Sandak trinkt Wein aus einem Becher653.

Dargestellt sind u. a.654: Zwei verzierte, kelchförmige Becher für den Wein, dazwischen der
deutlich zweisitzige, mit Geflecht bespannte Elijas-Stuhl, darüber das Beschneidungsmesser,
dessen Handgriff kunstvoll verziert ist, und darüber das gläserne Gerät zum Absaugen des
Blutes. Uber dem rechten Becher steht die Abkürzung »K.K.«, über dem linken Becher das
Wort »Hechingen«, jeweils in hebräischen Buchstaben.

Laut Synagogen-Ordnung von 1838 durften Beschneidungen nach wie vor im Hause
vorgenommen und dort die dazugehörigen Gebete gesprochen werden. Der Rabbiner, in seiner
Abwesenheit der Vorsänger, mußte dabei anwesend sein (Kap. 9, § 1-3)655.

c) Leichenbegängnis

Sobald der Tod naht, bereiten fromme Juden sich durch Beten, Sündenbekenntnis, Reue und
Glaubensbekenntnis auf das Sterben vor. Im Augenblick des Todes bekennen auch die
Anwesenden ihren Glauben zu Gott656. Die Trauernden sind bis nach der Beerdigung religiöser
Pflichten enthoben. Dem Verstorbenen wird nach den anderen notwendigen Verrichtungen das
Totenhemd aus weißem Leinen angezogen657. Im Beerdigungsgottesdienst wird ein Trostwort
an die Trauernden gerichtet. Die Bestattung geht schnell und in schlichten Formen von sich. Zu
Hause werden dann nach einem feierlichen Mahl die »sieben Trauertage« nach bestimmten
Regeln abgehalten. Weitere Bräuche sollen das Andenken des Toten ehren: Man setzt einen
Grabstein, man zündet als Symbol der abgeschiedenen Seele eine Lampe während der Woche,
des Monats oder Jahrs der Trauer und am Jahrestag des Todes an, die Söhne sagen jeweils aus
Anlaß der Wiederkehr des Todestags ihrer Eltern das Kaddisch658, und man erfüllt die letzten
Wünsche des Toten659.

Uber letzteren Punkt ist uns aus der israelitischen Gemeinde Hechingens ein anschauliches
Beispiel überliefert. Im Schußparagraph seines Testaments vom 3.8.1834 legte Leopold Moses
fest: Vier Wochen lang soll in meinem Hause nach meinem Tode von 3 Lerner gelernet
werdenM, wofür man jedem f121 Xr geben soll, auch soll man auf dem Begräbnis Platz bei
Begrabung meiner Leiche f 6 unter die Armen, welche dort anwesend sind, austeilen, meine

652 Bei einem Mädchen findet die Namensgebung gewöhnlich in der Synagoge an einem Sabbat statt,
nachdem der Vater zur Tora aufgerufen worden ist.

653 Vgl. F, S. 150 f. und JRS, S. 186 ff.

654 Detail des Fotos Nr. 3 aus der HHBH, R. 14. Reproduktion: Werner.

655 Vgl. Gottesdienst-Ordnung für die Synagogen des Königreiches Württemberg. Stuttgart 1838.
Lagerort: HHBH, R. 8.

656 In der Stunde des Todes sagen jüdische Männer das »Höre Israel« (hebräisch: »Schma Jisrael«), das
Grundbekenntnis des Judentums von dem einen Gott, der keine anderen Götter neben sich hat.

657 Dieses Totengewand, der sogenannte Kittel, wird von den verheirateten Männern bereits an jedem
Versöhnungstag angelegt. - Männer werden zur Bestattung auch mit ihrem Gebetsmantel umhüllt.

658 Das Kaddisch ist ein altes, ehrwürdiges Gebet in aramäischer Sprache. Es wird öffentlich für den
Seelenfrieden des Verstorbenen gesprochen und enthält im ersten Satz endzeitliche Bitten um die Heiligung
des göttlichen Namens und um das Kommen des Reiches. Das durch seine Feierlichkeit auffallende
liturgische Stück hat eschatologisch-messianischen Charakter. - Der Brauch, das Kaddisch zur Jahrzeit zu
beten, entstand während der mittelalterlichen Judenverfolgungen.

659 Vgl. F, S. 156ff.

660 Unter Lernen (Tora lernen) versteht man hier das Studium der traditionellen jüdischen Literatur
(Fünfbuch mit Raschi-Kommentar, Shulchan Aruk, Talmud, ...).

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