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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0102
Manuel Werner

4. Sabbatvorlesungen

Dreijähriger Zyklus der Sabbat-Vorlesungen

Die Verlesung der Tora, des Fünfbuches698, in bestimmten Abschnitten war von Anfang an
Bestandteil des Synagogengottesdienstes. Dabei wurde sowohl dem einzelnen Festtag jeweils
ein bestimmter (passender) Bibelabschnitt zugeordnet, als auch die gesamte Tora an den
gewöhnlichen Sabbaten in fortlaufender Reihenfolge (lectio continua) gelesen. Für diese »lectio
continua« entwickelte sich dann im Laufe der Zeit ein bestimmter Zyklus, der allerdings örtlich
verschieden war. Während man in Palästina die Tora wahrscheinlich in ungefähr dreieinhalb
Jahren beendete, war in Babylonien ein nur einjähriger Zyklus in Gebrauch, der später den
palästinischen verdrängte und bis heute üblich ist6".

Ein »Separat-Abdruck aus der Gebetsordnung der israelitischen] Gemeinde München« 7°0
enthält einen »Dreijährige[n] Cyklus der Sabbath-Vorlesungen für die israelitische Gemeinde
Hechingen«701. Dieser Zyklus ist leider nicht genau zu datieren. Gedruckt ist er von R. Sulger in
Hechingen. Im Akteninventar der Israelitischen Gemeinde Hechingen702 sind für den Zeitraum
von 1884 bis 1891 Schriftstücke den 3jährigen Zyklus bei der Thoravorlesung betr. genannt. Der
Zyklus enthält auf sieben Seiten die verschiedenen Lesungen, auf drei Jahre verteilt (erstes Jahr:
S.2—3; zweites Jahr: S. 4-5; drittes Jahr: S. 6-7). In der linken Spalte werden die Sabbate in
Ubereinstimmung mit dem jüdischen Kalender, in der rechten die Angaben über den jeweilig
dazugehörigen Abschnitt aus den Fünf Büchern Mose aufgeführt. Beispielsweise wird am ersten
Sabbat des Jahres, Bereschis, Gen 1,1-Gen 2,3, im zweiten Jahr Gen 2,4-Gen 3,24 und im dritten
Jahr Gen 4,1- Gen 6,8 gelesen. Am zweiten Sabbat des Jahres, Noach, folgt im ersten Jahr Gen
6,9-Gen 7,16 usw. Mit diesem Verfahren wird praktisch die gesamte Tora innerhalb von drei
Jahren abgedeckt. An den letzten vier Sabbaten las man in allen Jahren dieselben Textstellen. Die
Jahreszyklen schließen jeweils mit dem Sabbat Vesos habrocho und dem dazugehörigen Simchas
thora7oi.

Vom 18. Oktober 1884704 an erhielt der dreijährige Zyklus Geltung. Gegen diese Einführung
erhoben vierzig Gemeindemitglieder jedoch Protest und beantragten nach §50 der
Gemeindestatuten die Einberufung einer Generalversammlung. Dr. Wassermann aus Stuttgart
empfahl dem Vorstand der israelitischen Gemeinde am 11. November 1884 als Kompromiß, die
bisherigen Wochenabschnitte des einjährigen Zyklus beizubehalten, jedoch in Teilen vorzulesen
, und zwar der erste Teil eines Wochenabschnittes am Sabbat Abend zu Mincha705, der 2te am
Montag der3te am Donnerstag undder4te u. lezte Teil am Sabbat Morgen. Die Kontinuität der
Vorlesung wird dadurch gewahrt, und es findet kein Bruch mit der früheren Einrichtung statt706.

698 Pentateuch.

699 Auch die Institution der Prophetenlesung (Haftara) ist mit Sicherheit vorchristlich. Anders als bei der
Verlesung der Tora gibt es bei der Prophetenlesung jedoch keine »lectio continua«. (Vgl. KLJ, S.271).

700 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß sogenannte Münchner Gesangsweisen, die vom
Vorsänger (Kantor) mit mehreren Knaben und Jünglingen vorgetragen wurden, ebenfalls Verbindungen
Hechingens zur israelitischen Gemeinde München aufzeigen. (Vgl. M, Spalte 540).

701 Lagerort: HHBH, R. 9.

702 Lagerort: SAH, Aktenplan 5422 Bd. Rechtsverhältnisse der Israelitischen Gemeinde Hechingen.

703 Simchat Tora = Torafreude. Fest, an dem die Verlesung der Tora im Synagogengottesdienst nach dem
Jahreszyklus beendet und gleichzeitig wieder neu begonnen wird. Charakteristisch sind fröhliche Umzüge
mit den Tora-Rollen (auch die Kinder sind beteiligt), die die Freude an der Tora zum Ausdruck bringen.

704 In den Quellen aus dem CAHJP ist die Jahreszahl nicht gut lesbar; es kann sich auch um das Jahr 1864
handeln.

705 Nachmittagsgebet in der synagogalen Liturgie (wird meist nahe an den Sonnenuntergang herangerückt
, damit die Gemeinde kurz danach das Abendgebet sprechen kann).

706 Lageron: CAHJP, S. 107/5, Blatt 162.

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