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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0109
Die Juden in Hechingen als religiöse Gemeinde

Hause außerhalb der Stadt (vermutlich in der nachfolgend aufgeführten Herberge in der
Friedrichstraße). Das Betteln war ihnen verboten. Vom Almosenpfleger erhielten die Verheirateten
einen Batzen, eine Frau drei Kreuzer, ein Lediger zwei Kreuzer, ein Kind einen Kreuzer
»und nicht mehr«. Außerdem bekamen sie für Freitag und Samstag und für die Feiertage742
sogenannte »Bletten«. Darunter verstand man Anweisungen auf Verköstigung bei den einheimischen
Judenfamilien. Diese durften ihnen dann »nach Belieben geben«. Deshalb wurden die
Packenträger auch als »Gäste« bezeichnet743. Nach der Hochzeit wurde dem jeweiligen
Gemeindemitglied die Zahl der jährlichen »Bletten« dem Vermögen gemäß zugeteilt. Unter den
Packenträgern befand sich allerdings auch »gefährliches Gesindel, die Kißler (Beutelabschneider
), die im Gedränge der Märkte ihr Unwesen trieben«744. Deshalb und wohl auch aus
gesundheitlichen Gründen wurden die Betteljuden von der christlichen Bevölkerung und von
der Herrschaft nicht gern gesehen, mußte eine eventuelle Übernachtung von den einheimischen
Glaubensgenossen gemeldet werden und wurde schließlich eine Schlafstätte für diese »Gäste«
errichtet.

Schlafstätte

Im Jahre 1718 wurde den Bürgern, »welche den Hintersäß und Juden Unterschlauff gaben,
von Georgi ab Trieb und Trab (Stadtweide) auf so lange verboten, bis sie solche Leute aus der
Behausung thun würden« 745. Ein Eintrag in den Stadtgerichtsprotokollen746 schildert anschaulich
die damalige Situation:

Actum Hechingen den 28.ten May 1749

Caspar Funckhen Wittib, welche eine Zeit lang das Judenlazareth in ihrem Haufi gehabt,
hingegen angezeiget worden ist, daß zu Fünffzig, Sechzig und mehr auf ein mahl alda sich
eingefunden, mit brennenden Tabackh Pfeifen auf Stroh undHeüw herumgezogen, mithin die
gantze Nachbarschaft in gröste gefahr gesetzet, über solches derley liederliches gesindel von allen
4 Welttheilen herkommet, folglichen gar leicht eine ansteckhende Seuche in die statt bringen
könte, wirdet hiermit ihr solches unternemmen nit nur allein nachdrückhlich verwisen, sondern
auch Ihro bey unnachlässiger straf verbotten, derley gsindel in Zukunft keinen unterschlauf mehr
zu geben oder solche zu beherbergen, in ihre Behausung auf und ein zu nemmen.

Um derartige Restriktionen zu verhindern, die Vorwürfe zu entkräften und trotz der
Behinderungen Gastfreundschaft ausüben zu können, wurde im Jahre 1760 »mit vieler Mühe
und großen Kosten... die Erlaubniß zur Einrichtung einer sogenannten Schlafstätte in der
Friedrichstraße ausgewirkt. Die Gäste aber durften die Stadt nicht betreten, sondern die Gaben
und Speisen mußten ihnen zugesandt werden«747. »1800 wurde... auch der Bau einer
Schlafstätte außerhalb der Stadt, zum großen Jubel der Gemeinde vollendet«748. Der Schutzbrief
von 1800 sagt dazu: »Die fremde Betteljuden sollen sich in der Stadt gar nicht betretten
lassen, sondern für dieselbe auf der Friedrichstraße oder sonsten außer der Stadt eine
Nachtherberge bestellt, und sie außer ihre Feiertäge nicht länger als Eine Nacht aufgehalten,
auch kein verdächtiger (Christ oder) Jud bei Vermeidung schwerer Strafe von einem Juden
beherbergt oder selbigen Unterschlauf gegeben; weniger von dergleichen Personen etwas

742 Besonders an den Sabbaten sind die Türen jüdischer Häuser offen und beim Pesachmahl stets Gäste
willkommen (vgl. Reinhold Mayer, Der Talmud. München 1980, S.461).

743 Siehe unter: Armenunterstützung als religiöse Pflicht der Juden.

744 Vgl. C, S. 222.

745 ChH II, S. 168.

746 Stadtgerichtsprotokolle (1749-1754), Folio A 10. Lagerort: SAH.

747 M, Spalte 506.

748 Ebd. Siehe auch Kapitel VI. Die Hechinger Juden unter d) Exkurs: Die Rolle der Kaullas (Hospiz für
heimatlose herumziehende Juden).

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