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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0111
Die Juden in Hechingen als religiöse Gemeinde

Hechinger Gemeinde zuwies755. Rabbiner Mayer schreibt hierzu: »Die Gemeinde dahier und in
der Friedrichstraße hatte sich aber verhältnismäßig sehr vermehrt, da die Aufnahme in den
Schutzverband und der damit verbundene Heirathskonsens nicht nur von jedem Eingeborenen,
sondern auch von jedem Ausländer, für welchen man sich verwendete, oft gegen den Willen der
Gemeinde, mit leichter Mühe erlangt werden konnte. Die glänzenden Zustände waren eine
anziehende Lockspeise, denn es gab eine Zeit, da man den Mangel an Gemeindearmen
unangenehm fühlte, weil man nicht wußte, wie man die Wohlthaten zweckdienlich anbringen
sollte. Es fehlte ein kluger und freimüthiger Josef, der Vorratskammern für die Zukunft
errichten ließ...«756. Noch 1845 kamen die Armen aus den benachbarten israelitischen
Gemeinden Mühringen, Baisingen, Nordstetten und Rexingen zu bestimmten Terminen nach
Hechingen, um bei ihren Glaubensgenossen zu betteln, wie in folgendem Bericht des
israelitischen Kirchen- u. Gemeindevorstandes zum Ausdruck kommt:

No. 2,514 Praesentatum den 15. April 1845

An die Fürstlich Hochpreißliche Regierung.
Hechingen, den 9. April 1845.

Bericht des isr. Kirchen- u. Gemeinde-Vorstandes, ex officio, betr. die Israel. Armen aus
benachbarten Gemeinden.

Seit undenklichen Zeiten kommen die Armen aus den Israel. Gemeinden Mühringen, Baisingen,
Nordstetten und Rexingen (Oberamt Horb) und Haigerloch und Dettensee (Fürstentum
Sigmaringen) hierher vor dem Oster-7i7, Pfingst-nt und Hüttenfeste, um bey den hiesigen
Glaubens- Genoßen milde Gaben einzusammeln. Schon öfters aber wurden solche Individuen
aufgegriffen, verhaftet und fortgewiesen. Man hat sich bey dem Fürstl. Polizeyamte vergebens
für sie verwendet, weil das Betteln verboten sey und nicht gestattet werden könne, wenn auch die
Gemeinde sich durch dasselbe nicht belästigt fände. Man fühlt sich daher veranlasst, bey
Hochpreißlicher Regierung Vorstellungen zu machen, denn da die Israeliten diese Gaben nicht
nur mit Vergnügen spenden, sondern es auch für eine religiöse Sünde halten, den alten,
gebrechlichen und zu allem Erwerbe unfähigen Personen die Unterstützung zur festlichen
Begehung der Feyertage zu entziehen, so wird nicht abgesehen, warum von Seiten der Polizey
das Einsammeln der Gaben solchen Armen, welche die christl. Familien mit Betteln nicht
behelligen, untersagt werden sollte oder müßte. Es wird daher gebeten, Hochpreißliche
Regierung wolle gnädigst gestatten, daß die israelit. Armen aus den benachbarten Gemeinden,
welche sich über ihr Heymathsrechts urkundlich ausweisen können, bey den diesseitigen
Israeliten milde Unterstützungsgaben einsammeln.

In tiefster Unterthänigkeit etc. Dr. Mayer, Rabbiner

Selig.. Jf]
Hermann Weil
Simon Liebmann

Conclusum: Nachdem nicht nur das Betteln bei Christen, sondern auch das bei Israeliten unter
das allgemeine polizeiliche Verboth des Straßen u. Hausbettels faellt, den israelitischen
Gemeindevorstand mit seiner Bitte abgewiesen.

Hechingen, den Ilten April 1845 Fürstliche Regierung759

755 Vgl. C, S. 223. Laut Franz Haug, Verzeichnis der Kirchenbücher Hohenzollerns. In: Hohenzolleri-
sche Jahreshefte 9. 1941/49, S.5-29, wurde der Rabbiner in Hechingen erst 1859 verpflichtet, die gleichen
Register wie die Ortspfarrer zu führen, nämlich Geburts-, Heirats- und Totenregister. - Diese Register
wurden durch das Reichssippenamt in Berlin eingezogen und später nach Thüringen verlagert, wo sie 1945
den Russen in die Hände fielen und seitdem verschollen sind. Sie wurden kurz zuvor noch verfilmt.

756 M, Spalte 508.

757 Gemeint ist Pesach, mit dem das christliche Osterfest in Zusammenhang steht.

758 Gemeint ist Shabu'ot, dem das christliche Pfingstfest entspricht.

759 Lageron: StAS Ho 6 312.

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