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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0115
Die Juden in Hechingen als religiöse Gemeinde

Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg dazu auf, die Jüdische Winterhilfe
als »Werk der gegenseitigen Hilfe und Solidarität« aufzubauen. Obwohl die jüdische
Bevölkerung zusehends verarmte, fand der Appell, sich der Hilfsbedürftigen anzunehmen, ein
großes Echo. Die Durchführung der Winterhilfe bei den Gemeinden (Feststellung der
Hilfsbedürftigen, Verteilung der Spenden) lag in den Händen ehrenamtlicher Vertrauensleute
(der Hechinger Rabbinatsverweser Leon Schmalzbach war der Beauftragte im Lande Hohen-
zollern), denen die örtlichen israelitischen Frauenverbände zur Seite standen772.

7. Gelübde und Eide
Handgelübde773

Nach dem Statut von 1769 wurde die Vermögenssteuer von den Mitgliedern der israelitischen
Gemeinde dem jeweiligen Vermögen entsprechend erhoben. Die Steuerpflichtigen gaben
ihr Vermögen im Dreijahresturnus (seit 1861 wurden Veränderungen schon im folgenden Jahr
berücksichtigt) vor den Gemeindevertretern und dem Rabbiner an. In Zweifelsfällen wurde es
nach Abnahme des Handgelübdes »fatiert« 77\ Seit 1839 erfolgte diese »Fassion« unter
Hinweisung auf die Bibel. Dieses Verfahren wurde »Erechmachen« genannt775. Das »Erech-
machen« hörte 1855 auf776. - Eine weitere Situation, in der das Handgelübde üblich war,
schilderten die israelitischen Deputierten in einem Schreiben vom 9. Dezember 1830 an den
Fürsten: Sie warfen Dr. Samuel Mayer vor, sich mit der Tochter des Rabbiners von Bruchsal
versprochen zu haben, um sich ein Diplom zu erschleichen. Diese Handlung habe er mit
Handgelübde und schrifltichem Revers bekräftigt777.

Seit dem Jahre 1837 wirkte die fürstliche Regierung bei der Wahl der Deputierten und der
Ausschußmitglieder der israelitischen Gemeinde nicht mehr mit. Sie begnügte sich vielmehr
damit, die von der Judenschaft neugewählten Mitglieder zu berufen und unter Zuziehung des
Rabbiners durch Handgelübde zu verpflichten778.

Judeneid

Der Eid bzw. der Schwur ist von einem Gelübde zu unterscheiden. Im talmudischen Recht
hat er nur im Zivilverfahren seinen Platz, und zwar in mehreren Abstufungen als Eid nach der
Tora, nach der Mischna und aufgrund späterer Festlegung. Die beiden ersteren werden auf die
Tora-Rolle und meist unter Anrufung des (umschriebenen) Namen Gottes geleistet, vom
Schwörenden möglichst in Hebräisch gesprochen oder von ihm durch das Wort »Amen«
bekräftigt. Der religiöse Charakter des Eides ergab Probleme für Eidesleistungen vor nichtjüdischen
Instanzen, da der bindende Charakter an die Glaubensüberzeugung geknüpft war. So
entstanden seit dem 5. Jahrhundert Formeln für den Judeneid (Juramentum Judaeorum more
Judaico) mit im Laufe der Zeit immer mehr diskriminierendem Charakter. Die häufig
erzwungenen Eidesleistungen gaben Anlaß zu Überlegungen über deren Verbindlichkeit und
über die Anwendung des heimlichen Vorbehalts (reservatio mentalis), was auf nichtjüdischer
Seite zu einem beliebten antijudaistischen Vorwurf ausgenützt wurde. In die Liturgie des

772 Vgl. Sauer, Die Schicksale der jüdischen Bürger Baden-Württembergs während der nationalsozialistischen
Verfolgungszeit 1933-1945. Stuttgart 1968, S.82ff.

773 Unter Gelübde (hebräisch: nädär) versteht man im Judentum die Verpflichtung Gott gegenüber,
bestimmte Dinge zu tun oder zu lassen (biblische Grundlage: Num 30, 2—17).

774 Deklariert.

775 Vgl. C, S. 223.

776 Vgl. C, S. 224.

777 Lageron des Schreibens: StAS Ho 235 I-X 1230. Siehe hierzu Kapitel IX. Das Kultuspersonal.
Abschnitt 1. Rabbiner, b) Samuel Mayer unter: Intrigen.

778 Vgl. C, S. 213 und Kapitel VI. Die Hechinger Juden unter a) politische Gemeinde.

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