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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0140
Manuel Werner

katholische Pfarrer waren, Pfarrer Diebold von Thanheim und Pfarrer Blumenstetter von Boll.
Die Kommissionsmitglieder waren sich bewußt, daß die Behandlung dieser Petition »vielleicht
der schwierigste und kitzlichste« Punkt sei, »der auf dem Landtag vorkommen« werde; sie
hatten schon »keinen Kommissionsbericht darüber fertigen lassen, weil sich die Kommissionsmitglieder
in keiner Majorität und zu keinem bestimmten Resultate vereinigen konnten«905.
Blumenstetter führte in der Sitzung aus, daß »man oft den Pöbel muß schreien hören: >schlagt
sie todt, die Hunde<, - >werft sie zum Lande hinaus!< usw.« Er geißelte diese Haltung, indem er
fragte: »Ist das eine Sprache von Christen, denen als Hauptangebot allgemeine Menschenliebe
gelten soll?« Blumenstätter vertrat die Auffassung: »Niemand hat... das Recht, einen Juden,
weil er ein Jude ist, zu verfolgen, so wenig als die römischen Trajane und Diokletianen befugt
waren, die Christen zu martern. Wenn einmal der liebe Gott keine Juden mehr will, so wird er
schon fertig werden mit ihnen, in jedem Falle aber hat er uns nicht zu ihren Unterdrückern
berufen«906. Zwar konstatierte er, daß die Lebensweise der Juden der Wohlfahrt des gesamten
Volkes entgegenstehe. »Die Gewerbetreibenden und Gewerblosen fühlen die schädlichen und
verderblichen Folgen des Schacherhandels gleich stark, er ist der Ruin für beide.« In den
Dörfern gehörten »in den Hütten der Armen und Einfältigen... die Geis und die Kuh, der
Acker und die Wiese, die Pfanne und der Topf, die Haube und der Rock dem Juden«, und dieser
würde nicht nachlassen, alle ihm zu Gebote stehenden Mittel zu gebrauchen, »um das ganze
Bäuerlein mit Haus und Feld, Egge und Pflug, Weib und Kind sich zinspflichtig zu machen«.
Den üblen Schacherhandel könne man aber nur dann »bei schwerster Strafe« untersagen und
gänzlich verbieten, »wenn man den Juden zuvor andere Quellen« eröffne, »aus welchen sie
ihren Lebensunterhalt schöpfen können«. Sie Ackerbau und Gewerbe treiben zu lassen,
verlange die Billigkeit907. Er sah zwar die Schwierigkeiten, sie vom Schacherhandel abzubringen
: »Die Juden leben schon mehr als anderthalb Jahrtausende in diesem schachernden
Zustand; sie hören von Kindesbeinen an, bis ins höchste Alter von nichts Anderm, sie sehen
nichts Anders und treiben nichts Anders als Schachern, sie bringens schon mit auf die Welt, als
erstes Erbgut von Vater und Mutter. Was Wunder also, wenn sie sich fast nicht davon trennen
können?« Er meint auch, daß die »Professionen und Gewerbe..., namentlich die schweren, und
der Ackerbau« sie anfangs »ungemein hart ankommen« werde; denn sie seien körperlich »nicht
geeigenschaftet dazu«, es fehle ihnen »an der erforderten Härte, Ausdauer und Kraft«. Aber
aller Anfang sei schwer, es werde sich nach und nach geben908. »Der prekäre Zustand, in
welchem die Juden schon lange zu leben verdammt waren, widerspricht aller Vernunft, denn sie
sind Menschen, so gut als alle andern; sie haben als solche die nämlichen Ansprüche an die
Menschheit, die der Christ an sie macht«909. Gegen den Vorschlag Blumenstetters wandten sich
aber die meisten Abgeordneten, denn »somit wären dann die Juden bei uns mehr emanzipirt, als
man es bisher in den liberalsten Staaten für gut gefunden«910. Auch Blumenstetter habe
zugegeben, daß die Juden trotz der vielen Beschränkungen, unter welchen sie leben, »den
Bauern doch in ihre Botmäßigkeit zu bringen wissen, und wenn sie nun vollends frei und
ungenirt liegende Gründe911 kaufen und Gewerbe treiben dürfen, wie werden sie's uns dann
erst machen? Es steht zu befürchten, daß alsdann der größte Theil des Fürstenthums in kurzer

905 Ebd., S. 172.

906 Ebd., S. 172.

907 Ebd., S. 173.

908 Ebd., S. 175.

909 Ebd., S. 172.

910 Ebd., S. 173.

911 Im Original verschrieben: »Gürnde«.

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