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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0147
Die Juden in Hechingen als religiöse Gemeinde

und Schirms Verwandte, so wohl tags allß auch nachts in ihren Häußem allß auch sonsten
gewaltthättig zueüberfallen, daß Ihrig wider Gott und alle Biligkeit abzuenemmen, die Thüren
einzuestosßen, Fenster zuverschlagen, mit Stainen zuewerffen, ...daß sie baldt nit wisßen
khönnen, wo sie sich bei solchem Thuen und Lasßen, Ybermueth, Frechhait und Gewaltthat
Leibs und Lebens in dem Ihrigen sicher und wohin sie sich in solchem Wüsten und Toben wenden
oder keren sollen, ...953. Danach verurteilt der Fürst dieses Vorgehen der Bevölkerung als
Verstoß gegen göttliche und landesherrliche Ordnung aufs Schärfste, fordert die Wiederherstellung
von Ruhe und Ordnung und die Aufrechterhaltung des Judenschutzes und belegt
schließlich die Verantwortlichen mit Turm- und Geldstrafen. Die gleichzeitig für das künftige
Verhalten der Juden erlassenen Bestimmungen deuten vermutlich auf die Anlässe hin, die zu
dem Pogrom geführt hatten.

Ursache war wohl die wirtschaftliche Konkurrenzsituation zwischen Christen und Juden954
. Obwohl die territorialen Judenordnungen den Israeliten lediglich höchst eingeschränkte
Erwerbstätigkeit wie Betätigung als Geldverleiher, Pferdehändler oder Hausierer gestatteten,
befürchteten Zunfthandwerker und Gewerbetreibende eine Beeinträchtigung ihrer eigenen
Herstellungs- und Verkaufsrechte. So tauchen wiederholt die Vorwürfe auf: Juden handeln mit
Waren, die den Handwerkern vorbehalten sind. Sie verschaffen sich beim An- und Verkauf von
Waren Vorteile, weil sie nicht an die Zunftvorschriften gebunden sind. Der jüdische Handel,
eigene Schlachthäuser und eigener Fleischverkauf vermindern die Erwerbsmöglichkeiten der
Untertanen. Die Gemeindeweide wird durch Nutz- und Handelsvieh der Juden überbeansprucht
. Das Anwachsen der israelitischen Bevölkerung trägt zur Verknappung und Verteuerung
von Lebensmitteln und Holz bei935.

Gelbe Ringle: Bereits am l.Mai 1516 wurde eine Judenordnung vom oberösterreichischen
Regiment in Innsbruck erlassen. Dazu waren auch Vertreter der Hechinger Juden
geladen. In dieser Judenordnung hieß es u. a., damit man die Juden von den Christen erkennen
mag und destweniger Contrawennd gebraucht werd, sollte jeder, der in der Grafschaft
Hohenberg handelte und wandelte, einen gelben Ring sichtbar tragen. Auch sollten in den
Städten die Juden keine Wehr tragen, insbesondere keine Wurfbeile und lange Waffen, sondern
nur Brotmesser und kleine Dolche. Als Strafe für Zuwiderhandelnde wurden 3 Gulden
angesetzt956.

Am 28. Januar 1650 ergingen verschiedene Verhaltensmaßregeln für die Hechinger Juden
sowie für auswärtige Juden, die Hechingen besuchten. In einem Memoriale etlicher Puncten
wegen der Judenschafft wird unter Punkt 1 ausgeführt: Erstlichen: Daß selbige vermög Reichs
Abschidt gegen den Christen sich verhalten sollen, hierumben verordnet worden, daß sie gelbe
Ringle uf ihren Klaidern tragen sollen, ...957.

Mit diesen dem Kirchenrecht entstammenden Verordnungen wird sichtbar, daß die Juden
nicht integriert, sondern im Gegenteil von der Umwelt streng geschieden und isoliert wurden.
Auch optisch wurden die Juden als andersartig kenntlich gemacht, die fremde, außenstehende,
nun besonders augenfällige Gruppe einer Sonderbehandlung durch die christliche Bevölkerung
geradezu ausgesetzt. - Im Jahre 1941 wird sich diese Praxis in einer Parallele wiederholen.

953 Anordnungen des Fürsten Eitel Friedrich von Hohenzollern-Hechingen für die Bestrafung der
Ausschreitungen gegen die Juden, für das Verhalten der Juden auf dem Hechinger Wochenmarkt und für
den Fleischverkauf vom 22.Juli 1643. Lagerort: StAS Ho 1 C II 6f. Nr. 5. Zitiert nach KR, S.31f.

954 Vgl. KR, S. 31 f.

955 Vgl. den Rundfunkvortrag von Maren Kuhn-Rehfus im Südfunk Stuttgart 2 vom 13.2.1982,15.40
Uhr.

956 Vgl. Hans Peter Müller, Die Juden in der Grafschaft Hohenberg. In: Der Sülchgau 1981, S. 38f.
(Lagerort der zitierten Quelle: Hauptstaatsarchiv Stuttgart B37 a Bü 125 Or. Perg.)

957 Lageron: StAS Ho 1 C II 6f. Nr. 8. Zilien nach KR, S.27.

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