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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0148
Manuel Werner

An ti jüdische Stimmung: Vom Jahre 1674 wird berichtet, daß in der Bürgerschaft eine
aggressive Stimmung gegen die Juden herrschte. »In einer Versammlung der ganzen >Burger-
schaft< auf dem Rathaus ließen die Bürger durch einen Achter (Gemeindevertreter) vorbringen,
wenn die Regierung die Juden nicht ausschaffe, wollten sie sich zusammenrottieren und sehen,
wie sie die Juden hinausbrächten«958.

Anprangerung der täglich Vermehrung der Juden: Vor dem Ruggericht in
Hechingen kamen am 28. Juli 1695 allgemein gehaltene Klagen gegen die Juden ein; besonders
wurde gegen deren täglich Vermehrung geklagt. Das fürstliche Oberamt riet, mit einer
Beschwerdeschrift sich an den Fürsten zu wenden, und zweifelte nicht daran, daß Abhilfe
geschaffen würde. In den Stadtgerichtsprotokollen ist wörtlich vermerkt:

Rueggericht den 28.July (1)695
Gemeine Ciagen wider die hiesige Juden

Bei heut gehaltenem Ruegegericht ist onder anderem grosse Claag wider die Juden, und deren
täglich Vermehrung einkhommen. Zue deren abhelfung ist von dem fürstl. oberambt räthlich
ahn handt gegeben worden, vermittelst einer underthänigsten Beschwerungsschrift, die sach ahn
Ihre Hochfiirstl. Durchlaucht, unserem gnädigsten Herren, gehorsambst zu bringen, nicht
zweiflend, die gnädigste Remedur zuehaben959.

Im Jahre 1746 erwähnte Dekan Debele in seinem Visitationsbericht, daß in der Pfarrei
Hechingen (Hechingen, Stetten, Beuren) mehr als 300 Juden lebten.

Die starke Zunahme hatte vermutlich ihre Ursache im Vorgehen gegen die jüdische
Bevölkerung im Herzogtum Württemberg nach der Hinrichtung des württembergischen
Finanzrats Süss Oppenheimer im Jahre 1738960: Gemäß Artikel 27 der württembergischen
Landesordnung von 1735961 hatte von den Juden »ein jeder, der das herzogliche Gebiet betrat,
sich zu dem nächstgelegenen Amtmann zu verfügen und ihn um Geleit« anzusuchen. Dieser
hatte »ihm alsdann einen Geleitsmann zu ordnen, der ihn oder sie den fürgenommenen Weg
stracks durch Unser Gebiet sicherlich führen und geleiten soll, wie sich gebührt«962. Rabbiner
Mayer schreibt: »Diese [obige] Verordnung, welche sehr viele unehrenvolle und gehässige
Ausdrücke enthält, kann zwar nicht lange in Wirksamkeit gewesen sein, da der von dem Herzog
Karl Alexander zum Geheimen Finanzrath und Kabinetsminister erhobene Süß Oppenheim
viele Glaubensgenossen in das Land gezogen hatte; aber nach dessen Hinrichtung (1737) wurde
sie wieder desto strenger vollzogen«963. Mayer schreibt weiter: »Da vernahmen die Israeliten,
welche noch von Volk zu Volk und von Land zu Land gezogen, daß ihre Glaubensgenossen [in
Hechingen] einen Ruheplatz gefunden hatten«964.

958 ChH III, S. 119.

959 Lagerort: SAH, Stadtgerichtsprotokolle 1684-1697, Folio A 5. - Remedur haben = sinngemäß:
Abhilfe erhalten (von lat. remedium = Heilmittel).

960 Vgl. ChH III, S. 156.

961 Nachdruck der 1567 unter der Regierung des Herzogs Christoph v. Württemberg (1550-1568)
herausgegebenen und unter Herzog Johann Friedrich v. Württemberg (1608-1628) neuaufgelegten Landes-
Ordnung.

962 M, Spalte 457. - Siehe auch ChH III, S. 156.

963 Im Israelitischen Samstagsblatt Nr. 15 vom 15. Juli 1837 regt Rabbiner Samuel Meyer auf Seite 51
(Anmerkung + +) einen Vergleich der »vor hundert Jahren in Würtemberg erlassene[n] Juden-Ordnung
(des Herzogthums Würtemberg gemeine Landes-Ordnungen. Stuttgart. 1735. Tit[el] 27.) mit dem
gegenwänigen Gesetze, die öffentlichen Verhältnisse der Juden betreffend« an. Dadurch will der Rabbiner
einen »auffallend geschichtlichen Contrast in der Gesetzgebung« aufzeigen. Er zitiert: »Herzog Christopherus
wurde von den Eiferern [wegen seines Judenhasses] als Musterbild aller Fürsten aufgestellt, >weil er
diese Gottlosen und öffentlichen Zauberer in seinem Fürstenthum nicht duldete<.«

964 M, Spalte 457 f.

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