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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0164
Manuel Werner

Einwohnerschaft diskutierte erregt über den gemeinen Meuchelmord an einem hoffnungsvollen
jungen Deutschen und gab unverhohlen ihrer Befriedigung über die empfindliche Vergeltung
des heimtückischen Schurkenstreiches Ausdruck. Mit Abscheu spricht jedermann von dem
jüdischen Pack, das nun auch hier in Hechingen die Faust des Volkes zu spüren bekam. Möge
dieses Beispiel der Judenschaft zeigen, daß Deutschland nicht länger mit sich spielen läßt und
seine Feinde dort zu treffen weiß, wo es sie am meisten schmerzt. - Überflüssig zu sagen, daß
von Ausschreitungen oder gar Plünderungen nirgends etwas bemerkt werden konnte. Wer
Zeuge der antijüdischen Aktionen war, mußte sich vielmehr über die Disziplin, die von der
Volksmenge trotz der Empörung über die jüdische Mordtat gehalten wurde, wundern. ...«

Streng wurde darüber gewacht, daß keine Fotoaufnahmen von der zerstörten Synagoge o. ä.
entstanden. Bei den hiesigen Fotogeschäften Keidel-Daiker, Scheu und Grothkop wurde
festgestellt, daß keine fotografischen Aufnahmen von zerstörten jüdischen Läden und Synagogen
oder von Straßenaufläufen usw. gemacht wurden, und daß von dritten Personen auch keine
derartigen Filme zum Entwickeln abgegeben wurden. Dennoch liegen uns Aufnahmen des
zerstörten Synagogeninnenraumes und eine Außenaufnahme der demolierten Synagoge vor, da
der Truppführer von der SA Sturm 3/125 den Auftrag bekommen hatte, für die Standarte 125
Fotos von der zerstörten Synagoge zu fertigen, und dafür von der Gestapo, Außendienststelle
Sigmaringen, die Erlaubnis erhielt1013. Nach Mitteilung des Fotomeisters Herrn Josef Scheu,
Hechingen, mußten diese Bilder im Labor unter Aufsicht entwickelt werden. Es wurde darauf
geachtet, daß keine Probeabzüge liegenblieben.

Eine Stoffsammlung für die Chronik der Stadt Hechingen zum Jahr 1938 enthält unter der
Uberschrift »Das religiöse Leben« folgende Sätze: »10. November: Als Auswirkung des feigen
Mordes, den der Jude Herschel Grünspan in der deutschen Botschaft in Paris an dem
Boschaftsrat von Rath verübte, wurde am frühen Morgen dieses Tages die Inneneinrichtung der
Synagoge zerstört. Damit verschwindet das Judentum aus dem religiösen Leben unserer
Stadt«10H.

Einblick in die weiteren Auswirkungen für die jüdische Bevölkerung gewähren die
folgenden zwei Belege: Unter dem Stichwort »Schule« findet sich in oben erwähnter Stoffsammlung
die Notiz: »11. November: Die jüdischen Kinder werden aus den deutschen Schulen
entlassen«1015. Die Hohenzollerischen Blätter brachten am 17. November 1938 folgenden
Artikel:

»Juden unerwünscht.

Die Deutsche Arbeiterfront, Ortsverwaltung Hechingen, schreibt uns: Der niederträchtige
Mord in Paris hat seine Sühne gefunden. Es wird jetzt kaum noch einen deutschen Geschäftsmann
geben, der erfreut ist, sein Geschäft von Juden besucht zu sehen. Der äußere Eindruck
dieser Gesinnung ist ein Schild an der Türe: Juden unerwünschte Die Hechinger Geschäftsleute
werden gebeten, Bestellungen auf solche Schilder bei der Deutschen Arbeitsfront, Firststr. 13,
bis Montag, den 21. Nov. aufzugeben.«

Die Reichskristallnacht war das Fanal, die Juden vollends aus der Wirtschaft zu entfernen.

In Hechingen waren noch 1933 ganz oder zumindest teilweise in jüdischer Hand:
Buntweberei A. Gutmann & Co.; Zwirnerei und Färberei J. Levi & Co.; Trikotwarenfabriken
Karl Löwengard; Hermann Levy, Trikot Industrie, Hechingen; Eisenwaren-Großhandlung

1013 Vgl. Schreiben des Bürgermeisters der damaligen Kreisstadt Hechingen vom 17.11.1938 an die
Geheime Staatspolizei, Außendienststelle Sigmaringen. Akten betr. Juden, Pol. 1001/4, Landratsamt
Hechingen.

1014 Lagerort: SAH, API. 5640.

1015 Ebd.

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