Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0168
Manuel Werner

Mit Ausbruch des Krieges kamen sofort die Lebensmittelkarten heraus, welche auch die
Juden bekamen, die ich auf dem Rathaus abholen musste. Damit jeder Kaufmann wusste, was
für einen Kunden er vor sich habe, wurde eine Zeit später ein grossen J aufgedruckt.
Genussmittel wie Tee, Kaffee und Hülsenfrüchte wurden den Juden gestrichen. Im Gegensatz
zu den grösseren Städten wurde in Hechingen kein Judenladen eingerichtet. Aber fast alle Läden
hatten an den Türen Plakate angeschlagen: Juden unerwünscht. Die Magermilch bekamen die
Juden in der gleichen Menge wie die Christen.

Im Gegensatz zu anderen Ortschaften konnten die Juden in Hechingen mit ihrer Lage
zufrieden sein. Die Juden trugen mit Würde ihr Los, nicht mit gebeugtem Nacken, sondern
aufrecht und stolz, aber überall bescheiden in ihrem Auftreten. Dies wurde sogar, wie man so
hörte, von der Städtischen Behörde und höheren Gerichtsbeamten anerkannt.

So habe ich die allgemeinen Verhältnisse geschildert wie sie waren bis zu dem Zeitpunkt, als
ich mit meiner Frau am 26. Mai 1941 nach USA auswanderte; und den »Rest der Übriggebliebenen
« dem gütigen Schicksal Gottes überlassen musste.

Newark N.J., April Vh. 1943 Carl Hamb urgeri02\

Vor den Deportationen wurden die jüdischen Bürger in sogenannten Judenhäusern
zusammengelegt1C25. Aus Württemberg und Hohenzollern sollten dann tausend Juden von
einer ersten Deporationswelle erfaßt werden. Als Ort der Verschleppung war Riga im
Reichskommissariat Ostland vorgesehen. Offiziell wurde die Abschiebung und die beabsichtigte
Vernichtung als Evakuierung getarnt. Da Juden, die über 65 Jahre alt waren, die Mitteilung
zur Evakuierung nicht zugestellt bekamen, mögen die Betroffenen vielleicht noch Hoffnung
gehabt haben. Auch im Erlaß der Staatspolizeileitstelle (Gestapo) vom 18. November 1941 hieß
es, daß die Deportierten im Osten angesiedelt werden sollten1026. Am 21. November traf der
Landrat die Anordnung betr. Abschiebung von Juden in das Reichskommissariat Ostland für die
Bürgermeister in Haigerloch und Hechingen1027.

Für den am 27. November vorgesehenen Zubringertransport von 130 Juden aus Hechingen
und Haigerloch zum Sammellager am Killesberg in Stuttgart wurden drei Eisenbahnwagen von
der Reichsbahndirektion angefordert. Sie sollten dem fahrplanmäßigen Zug der Landesbahn
angehängt werden1028. Die zur Deportation eingeteilten Personen hatten detaillierte Vermögenserklärungen
auszufüllen, die vom Bürgermeisteramt zu überprüfen und an das Finanzamt
weiterzuleiten waren. Die Mitnahme von Bargeld, Schmuck, Wertpapieren und Sparbüchern
war streng untersagt. Am Montag, dem 24. November, brachten die zur Deportation ausgewählten
Juden ihr Gepäck zur Sammelstelle im früheren jüdischen Gemeindehaus. Die
Gepäckstücke wurden sofort kontrolliert und mit Transportnummern versehen. Am selben Tag

1024 Handschriftliche Niederschrift, 9 Seiten. Lagerort: CAHJP, Inv. Nr. 1014/9.

1025 Vgl. die Abschrift eines Fragebogens zur Geschichte der Hechinger Juden. Lagerort: SAH. -
Augenzeugenberichte deuten ebenfalls auf diese Maßnahme hin.

1026 Vgl. Erlaß der Geheimen Staatspolizei/Staatspolizeileitstelle Stuttgart an die Landräte und Polizeidirektoren
vom 18. November 1941, Nr. II B 2 1147/41, betr. Abschiebung von Juden in das Reichskommissariat
Ostland. Vermerk: Eilt sehr! - Dok. Nr. 462 in Paul Sauer, Dokumente über die Verfolgung der
jüdischen Bürger in Baden-Württemberg durch das Nationalsozialistische Regime 1933-1945. Stuttgart
1966.

1027 Die Anordnung ist vollständig abgedruckt in Otto Werner, Leon Schmalzbach (1882-1942).
Lehrer und Rabbinatsverweser in Hechingen, Teil II, Dokument XVI. In: ZHG 16.1980, S. 181 f. Dort ist
sie zitiert nach: Paul Sauer, Dokumente über die Verfolgung der jüdischen Bürger in Baden-Württemberg
durch das Nationalsozialistische Regime 1933-1945. Stuttgart 1966, Bd. 2, S. 298ff.

1028 Vgl. Schreiben der Reichsbahndirektion Stuttgart an den Landrat in Hechingen vom 24. November
1941 betr. Beförderung von Juden. Das Schreiben (zitiert nach Paul Sauer, Dokumente, S. 300) ist
vollständig abgedruckt in Otto Werner, Leon Schmalzbach (1882-1942). Lehrer und Rabbinatsverweser
in Hechingen, Teil II, Dokument XVII. In: ZHG 16. 1980, S. 182f.

160


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0168