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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0187
Die Inschriften der Kaulla-Grabdenkmäler

ist, kann das letzte Wort in der ersten Zeile HWSMH sowohl als »huschmah« = betrachtet,
angesehen wie auch als »husmah« = aufgerichtet gelesen werden10.

1.3.2. Die Rückseite ist leider so stark beschädigt11, daß fast die Hälfte des Textes nicht
mehr zu erkennen ist. Dennoch ist eine vollständige und hinreichend sichere Rekonstruktion
nach folgenden Überlegungen möglich gewesen:

(1) die Zerstörung des Textes ist an vielen Stellen glücklicherweise nicht gründlich genug
vorgenommen worden, so daß Über- und Unterlängen sowie sonstige Buchstabenfragmente
sichtbar geblieben sind;

(2) anhand des Resttextes konnten inhaltliche Erwägungen angestellt werden dergestalt, daß,
wenn man z.B. das Wort »Kro(ne)« in Verbindung mit »bitterem Gewein« noch erkennen
kann, es ganz klar ist, daß besagte Krone von irgendjemandes Haupt gefallen sein muß, denn
dies ist der auf Epitaphen häufige Topos aus Thr5,16; oder über einen »St(ab)«, auf den
»Bedürftige« sich stützen, können diese, metaphorisch gesprochen, nur »wehklagen«, wenn er
zerbricht. Wie sonst sollte eine Stütze untauglich werden?

(3) in der letzten Zeile weist die am Ende sichtbare Abkürzung LePäQ darauf hin, daß davor
die Jahreszahl - ohne Angabe des Tausenders gestanden haben muß (»nach kleiner Zählung«
= Z-iPhrat Qatan); da aber andererseits vor diesem LePdQ noch die zweite Hälfte des Namens
»(Ra)fael« auszumachen ist, muß folglich die Jahreszahl in Form eines Chronogramms
angezeigt gewesen sein, d. h. die - oder zumindest einige - der Buchstaben der letzten Zeile
müssen gleichzeitig auch gemäß ihrem Zahlenwert gedeutet und addiert werden, damit sich aus
ihnen das gesuchte Datum ergibt. Vor »(Ra)fael« kann ferner nur »bat« = Tochter gestanden
haben und davor der Name der Verstorbenen, den ich mit »Kaul« ansetze, da an entsprechender
Stelle Teile des Anfangsbuchstaben Qof zu sehen sind sowie die geschwungene Oberlänge des
Lamed am Ende des Namens knapp vor dem gerade noch erkennbaren unteren Balken des 5er
von »bat«. Nun ist das Todesjahr der Chaile Kauila verbürgt (1809), so daß eine relativ sichere
Kontrolle unserer Konjektur möglich wird;

(4) auch wenn dies banal klingen mag: manches ergab sich erst nach wiederholtem, geduldigem
Nachfahren mit den Fingerspitzen über die beschädigten Stellen am Sarkophag selber!

Von diesen und anderen Erwägungen (z.B. metrischer Art) ausgehend schlage ich unten
stehende Rekonstruktion des Textes vor. Hierbei jedoch bin ich nur in einem, inhaltlich völlig
belanglosen Punkt unsicher, nämlich bei der Schreibung des Namens »Kaul«: stand zwischen
dem Qof und dem Lamed bloß ein Waw (QWL) oder ein Waw gefolgt von einem Jod (QWJL)?
In beiden Fällen wäre freilich »Kaul« zu sprechen. Ich entscheide mich wegen des doch relativ
großen Zwischenraumes zwischen den beiden teilweise erkennbaren Buchstaben Qof und
Lamed für Waw plus Jod (QWJL). Zudem wäre man geneigt, den Namen »Kaul« ohne das
eingefügte Jod nicht als Eigenname zu interpretieren, sondern als lexikalische Einheit für
»Stimme«, denn so schreibt sich das Wort dafür im Hebräischen (QWL). Auf der Inschrift des
Akiba Auerbach hat man mit dieser Doppelbedeutung, wie wir noch sehen werden, ganz
offensichtlich gespielt, aber das Wort als Hinweis darauf mit einem Krönchen versehen. Auf den
Stelen des Jakob Kauila und des Maier Hanau wird »Kauila« als Familienname zwar ohne Jod
nach dem Waw geschrieben, hier ist jedoch eine Verwechslung mit der Vokabel QWL
= Stimme wegen des Alef am Wortende ausgeschlossen. Eine Bestätigung meiner Annahme

10 In einer Kerova, einer besonderen liturgischen Dichtung, zum 9. Av, dem jüdischen Trauertag, heißt es:
om aschär al kol goj huschmah äljon = »eine Nation, die über jedes Volk hoch erhoben wurde«. Diese
Kerova wird in die 6. Bitte des 18-Bittengebetes eingeschoben, Sidur, Anhang zu Purim und 9. Av., S. 11.

11 Diese Beschädigung macht einen sehr »zielgerichteten« Eindruck. Es sieht ganz so aus, als habe der
Täter die Rückseite systematisch mit Hammer und Meißel angegangen. Ein Foto der unzerstörten
Rückseite habe ich bislang ohne Erfolg gesucht. In GL befindet sich eine Abbildung hiervon, auf der man
leider nur erkennen kann, daß die Rückseite zum Zeitpunkt der Aufnahme noch unversehrt war!

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