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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0188
Heinrich Kohring

findet sich recht eindrucksvoll auf zwei weiteren Hechinger Steinen bei der Schreibung des
Namens »Kaul«: (GL547) QWJL und (GL817) QWL? (? = Alef), d.h. ohne Alef am
Wortende, aber dann Waw plus Jod, mit Alef am Wortende, aber nun ohne Jod! Es kommt
freilich noch besser: auf einem Tora-Vorhang (Parochet), den Madame Kaulla in ihrem Namen
und dem ihrer Mutter Rebekka zur Beschneidung ihrer Nachkommen im Jahre 5563 (= 1802/
03) gestiftet hat (»...ihre Tochter, die berühmte Reiche, Frau Kaul, sie möge leben...«) wird
ihr Name so geschrieben: QWL?, also ohne Jod, aber dafür mit Alef am Schluß12. Nun aber der
rekonstruierte Text:

1.3.2.1. nnmn • nn7iy7 naVm nnn nyn nny
"7y- nny "^7 'rm nnnatvn -»22. ^ih
n^Ni-m in 2i2 n"73j 'd düni muy
rn yvi : injNj mip 'D Qmym 7y

170*7 7N31 fU ^'ip Tin mUD3 ID'J

1.3.2.2. Auf deutsch heißt dieses:

Nun ist sie verschieden, gestorben und in ihre Welt gegangen. Groß machte sie
Die Trauer ihrer Familienangehörigen und Wehgeschrei der Armen ihres Volkes. Uber
Die Krone ihres Hauptes, die zu Boden sank, weinten jene mit bitterem Herzen. Und diese
Wehklagten über ihren Stab, der da zerbrach. Am Heiligen Sabbat, dem Monatsanfang
Des Nissan ist sie entschlafen. Sie war Kaul, Rafaels Tochter, nach kleiner Zählung.

1.3.2.3. Zu der ersten, im ganzen erhaltenen Zeile der Rückseite noch zwei Hinweise: die
Reihenfolge der Verba ist verschieden, gestorben ist übernommen von der Beschreibung des
Todes der Patriarchen Abraham (Gn 25,8) und Isaak (Gn 35,29). Das ist gewiß kein Zufall,
sondern sicher bewußt so gesetzt, um den Tod der Chaile durch den Vergleich mit jenem der
Stammväter zumindest stilistisch zu überhöhen. Die Wendung ist in ihre Welt gegangen (oder:
in ihre Ewigkeit - das hebräische Wort olam hat beide Bedeutungen) ist eine traditionelle
jüdische Formel, die auch im Totengedächtnisgebet erscheint, das mit den Worten beginnt:
»Gott gedenke der Seele meines Vaters, meines Lehrmeisters, x Sohn des y, der in seine Welt
ging...«n. Vorgebildet erscheint diese Formel bereits in der hebräischen Bibel, wo es in
Kohl2,5 wörtlich heißt: »denn der Mensch geht zum Hause seiner Ewigkeit (oder: seiner
Welt)«, hebr. »ki holekh ha-adam äl-bejt olamo«, wofür die revidierte Lutherbibel frei
übersetzt: »...; denn der Mensch fährt dahin, wo er ewig bleibt,...«

Groß machte sie ... Wehgeschrei der Armen: das hört sich reichlich theatralisch an, scheint
aber eines realen Hintergrundes nicht zu entbehren. In der Traueranzeige, die am 19. März 1809
in Hechingen erschien, heißt es u.a. bezeichnenderweise:

12 Eine phantastische, von ihm selber angefertigte Reproduktion des Originals aus HHBH, R. 14, stellte
mir Herr Otto Werner liebenswürdigerweise zur Verfügung. Erwähnt ist unser Parochet bei O. Werner,
Schmalzbach, S. 143, und abgebildet in M.Werner, Die Juden, S. 198, Nr. 35.

13 Dieses Gebet, das sog. Jiskor-Gebet, das z.B. am Versöhnungstag in allen Synagogen und in vielen
Gemeinden an jedem Festtag gesprochen wird, lautet: »Gott gedenke der Seele meines Vaters und Lehrers
(meiner Mutter und Lehrerin) x bar (bat) y, der (die) in seine (ihre) Welt gegangen ist, dafür daß ich ein
Almosen für ihn (sie) gelobe. Zum Lohn dafür sei seine (ihre) Seele eingebunden im Bündel des Lebens mit
den Seelen Abrahams, Isaaks und Jakobs, Sarahs, Rebekkas, Raheis und Leahs und mit den anderen
frommen Männern und Frauen, die sich im Garten Eden befinden, und lasset uns sprechen: Amen!« (meine
Übersetzung), Sidur, S.273.

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