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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0189
Die Inschriften der Kaulla-Grabdenkmäler

Einen großen Teil des Segens, den ihr die Vorsehung zuwies, verwendete die Verewigte zum
Wohlthun. Sie war die Stütze der Nothleidenden ohne Unterschied der Religion, und tausend
Thränen der Armen hier und anderwärts fließen auf ihr Grab. Auch durch ihren letzten Willen
hat sie die wohlthätigen Gesinnungen, die sie im Leben äußerte, versiegelt14.

Als Todesdatum der Madame wird bei Heinrich Schnee der 18. März 180915 angegeben; in
die jüdische Zeitrechnung umgesetzt, ist das: Sabbat, der 1. Nissan 5569 bzw. 569 nach kleiner
Zählung (LePäQ). Das stimmt genau mit den in der vorletzten Zeile enthaltenen Angaben
überein: Sabbat, Monatsanfang des Nissan.

Sie war Raul, Rafaels Tochter: zu dem »eigenartigen« Vornamen »Kaul« sei eine Vermutung
ausgesprochen. Bei Schnee, so hatten wir bereits gesehen (S. 178), wird behauptet, Kauila sei
»nur die Umschreibung ihres deutschen Rufnamens Karoline«. Ich halte das nicht für gänzlich
ausgeschlossen, glaube aber, daß schon eher Karola (in deutschjüdischer Aussprache: Karaula),
wenn überhaupt, hier in Frage kommen könnte. In Buchau, woher die »Kaullas« ja stammen,
wie auch in Laupheim, kommt Caroline als Vorname von Jüdinnen in der zweiten Hälfte des
18.Jahrhunderts mehrfach vor16. Die Popularität dieses Vornamens in der betreffenden
Gegend mag darauf beruhen, daß die vorletzte Äbtissin des Reichsstiftes Buchau Maria
Karoline von Königsegg-Rothenfels (im Amt von 1742 bis 1774) hieß17. Auf dem Buchauer
Judenfriedhof fand ich den Grabstein einer Witwe namens Kaulla (QWWL?) Mayer, geb.
Hechinger (1784-1871), die bei Mohn, S. 38, als Kaul Hechinger aufgeführt ist, wohingegen der
Name Caroline in denselben Namenslisten dreimal (viermal?) auftaucht. Man könnte daraus
schließen, daß Caroline nicht gleich Kaul ist, und ich möchte dies auch tun. Signifikanter
erscheint mir freilich, daß in Hechingen, wie bereits erwähnt, laut GL 547 eine Frau namens
KAULE (QWJL), Gattin des Josef, die im Jahre 1771 verschieden ist, ruht; ferner ist unter
GL 817 eine weitere Frau mit dem Namen KAULE (QWL?), Tochter des Israel, gest. 1828,
aufgeführt. Aufgrund der hebräischen Orthographie ist entgegen der Transkription von GL
»Kaul« (und nicht KAULE) zu sprechen. Bei der in GL angegebenen Form KAULE - so wird
Madame Kaulla bei Tänzer, S. 166, auch genannt: Frau Kaule Rafael, verehelichte Kiefe
Auerbacher - könnte es sich um eine Diminutivform von Kaul handeln (Kaule (Kaul-le). Oder
man wollte erreichen, daß der Name »weiblicher« klang, denn die Endung -ell-l kam sowohl bei
Männer- als auch bei Frauennamen vor (vgl. Hendel/Hendl als weiblicher und männlicher
Vorname oder Seckl, Koppl,]udl [männl.] vs. Gitl, Fradl, Scheindl [weibl.]). Wie dem auch sei:
ich für meinen Teil vermute, daß Kaul(e), ein Name, den ich bislang nur in einem Teil von
Südwestdeutschland habe nachweisen können, im 18.Jahrhundert sporadisch als Vorname
unter Jüdinnen vorhanden war. Da im Jiddischen das Wort »kaul« in der Bedeutung »Kugel«,
»Fleischklößchen« üblich ist18, halte ich die Vermutung nicht für abwegig, daß es sich bei
»Kaul« zunächst um eine liebevolle Benennung (um einen Übernamen) für ein kleines,
pummeliges Mädchen gehandelt hat. Eine Jüdin, deren jüdischer Vorname mit »K-« (wie Kaut)
begann, legte sich in der Regel einen bürgerlichen Vornamen zu, der mit demselben Buchstaben
begann (z.B. »Karoline«), so wie »Mosche« bürgerlich zu »Moritz« wurde, »Hayum« zu
»Heinrich (Heine)« usw. Bei Kaul zu Karoline kann Madame Kaulla natürlich besagte
Fürstäbtissin durchaus im Sinn gehabt haben, zumal es ja noch andere bürgerliche Vornamen
mit »K-« gegeben hätte. Gewisse Beziehungen zur Heimat ihres Vaters wird sie wohl immer
gehabt haben: im Jahre 1795 wurde ein erklecklicher Betrag zum Bau der Synagoge in Kappel,
einem dem Stift gehörenden Dorf bei Buchau, über das Kaulla'sche Bank- und Handelshaus

14 Schnee, Madame, S. 104.

15 Schnee, Hoffinanz, S. 163; SM 508 gibt nur 1809 an ebenso HChr 1980, S. 204-205.

16 Mohn, S. 38.

17 Ebd., Ahnentafel nach S. 198.

18 Siegmund Wolf, Jiddisches Wörterbuch. Mannheim 1962, unter »kaul«.

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