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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0192
Heinrich Kohring

2.2.1. Die übersetzte Vorderseite lautet:

Vorübergehender
Halt inne bei einem traurigen Grabmal und stimme Klagelieder
Des Jammers an über die Krone unseres Hauptes, die zu Boden sank!
Schlag in die Hände! Der Fürst seines Volkes, der Ratgeber von Königen
Hat hier ein Grab ausgehauen. Ach, man hat sein Licht ausgelöscht, untergegangen
Ist seine Sonne mitten am Himmel. Sein Herz - ein verständiges Herz!
Seine Sabbate erwarben Gnade und Wohlgefallen. Indem er Arme stützte,
Nach Gerechtigkeit strebte, heiligte er sein Leben. Freude mehrte er
Im Glück, und im Unglück stärkten seine Worte. Er steigerte den Ruhm
Seines Volkes, er vergrößerte den Ruhm seines Schöpfers. Bei seiner Geburt freuten sich
Die Menschen, und Erellim weinten bei seinem Tod. Jene (sc. Menschen) weinen
Weiterhin; diese aber (sc. Erellim) werden sich freuen.

2.2.2. Auf der Rückseite (verso) finden wir:

Dies war

Der Fürst, der berühmte Edle, gottesfürchtig

Von Jugend auf, strebend nach Wohltätigkeit und Barmherzigkeit,

Das Wohl seines Volkes suchend. Ein Oberhaupt der Familie

Kaulla, der Lehrer der Weisung, unser Meister, Meister Jakob, Sohn des Meisters, unseres

Meisters Rafael

Seligen Angedenkens. K. K. Österreichischer Rath und
Königl. Württembergischer Hofbankier.
Jakob zog seines Weges, den Weg aller Welt,
Den 20. Ijjar des Jahres 570 nach kleiner Zählung.
Seine Seele sei eingebunden im Bündel des Lebens!

2.3. Beide Texte sind gespickt mit Bibelzitaten, was ganz offensichtlich die Weihe der
Inschriften erhöhen soll. Auffällig ist auch die Verwendung von seltenen Wörtern und seltenen
morphologischen Formen wie z.B. - dies sei für Hebraisten angemerkt - chajjehu statt des
üblichen chajjaw (= »sein Leben«) in Zeile 8 recto im Reim mit qonehu (= »sein Schöpfer«);
letzteres freilich ist die normale Form. Statt des üblicheren mazzeva (= »Grabmal«) wird das
seltenere zijjun verwendet; statt des im Talmud gebrauchten le-tappeach (= »in die Hände
schlagen«) steht das biblisch belegte li-spoq. Das gilt auch für die Inschrift der Chaile, bei der
z.B. die Rückseite mit dem biblischen atta (= »nun«) statt des später gebräuchlicheren
achschaw beginnt. Derlei lexikalische (und auch morphologische) Eigenheiten verleihen
unseren Texten eine größere Feierlichkeit und rücken sie in die Nähe von biblischen Texten. Die
genannten Besonderheiten des Wortschatzes und der Formenlehre sind gleichzeitig auch ein
Kennzeichen für die sog. Haskala-Poesie, wovon weiter unten (S. 199 f.) noch die Rede sein
wird.

Das ist ein zwar nicht belegtes, dennoch nach den hebräischen Wortbildungsregeln mögliches Wort,
obwohl es sich bei dem Verb »li-tmokh« um eine Kai- und nicht um die zu erwartende Piel-Form handelt,
und es könnte »Stütze« bedeuten. Vgl. analoge, aber existente Derivationen wie kibbud = »Ehrung«;
qiddusch = »Heiligung«; chillul = »Entweihung«; qizzur - »Verkürzung, Abriß« usw. von den Verben le-
khabbed, le-qaddesch, le-challel und le-qazzer im Binjan Piel. Bei dieser Annahme müßte man übersetzen:
»Als Stütze der Armen erstrebte er Gerechtigkeit und heiligte (so) sein Leben.« Syntaktisch wäre das freüich
ein seltsames Hebräisch! Ausgerechnet beim letzten Buchstaben ist in dieser Zeile noch ein kleines Malheur
passiert: beim Schluß-A/em (Mem ssofit) fehlt links der vertikale Strich!

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