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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0200
Heinrich Kohring

keineswegs so, denn es handelt sich hier um die übliche Titulatur für einen approbierten
Rabbiner. Und wir wissen doch, daß Jakob Kaulla in der Prager Meisel-Synagoge im Jahre 1800
ein Rabbiner-Diplom überreicht bekam, die sog. »Hattarat Hora'ah«, d.h. die »Erlaubnis zu
lehren und Entscheidungen zu treffen« (S. 183). Dieser Titel kann abgekürzt auch in der Form
MWHRR erscheinen, was dann gelesen wird morenu ba-rav rabbenu (= unser Lehrer, der
Meister, unser Meister). Auf einem Parochet, den Jakob Kaulla in seinem Namen und dem
seiner Gattin Michle im Jahre (5)566 = 1805/06 gestiftet hat, ist seinem Namen der rabbinische
Titel in der zuletzt genannten Form vorangestellt58. Eigenartigerweise ist, wie oben angedeutet,
Jakobs Titel in der Inschrift ohne Abkürzungszeichen geschrieben, genauso wie auf der
Rückseite von Michles Stein, wo ihr Gatte ebenfalls mit diesem Ehrentitel genannt ist,
wohingegen auf dem erwähnen Tora-Vorhang eine Art Krönchen über dem He der Buchstabenfolge
MWHRR anzeigt, daß es sich dabei um eine Abbreviatur handelt.

Jakob, Sohn des Meisters, unseres Meisters Rafael (hebr. ha-rav rabbenu); diese Titulatur des
Vaters ist ein Hinweis darauf, daß auch er eine hohe Stellung bekleidete: er war, wie wir bereits
wissen, Hoffaktor in Hechingen gewesen. Ursprünglich war dies ein Titel für berühmte
Gelehrte, aber nach und nach ist daraus ein Titel für einflußreiche Persönlichkeiten geworden.

Rafael Seligen Angedenkens: im Original stehen hier nur zwei Buchstaben (S L); es ist dies
eine Abkürzung, die sikhrono li-vrakha gelesen wird (oder einfach: sat) und »sein Andenken
(sei) zum Segen« bedeutet. Diese Segensformel geht zurück auf Prov 10,7: »Das Andenken des
Gerechten bleibt im Segen; aber der Name der Gottlosen wird verwesen.« Der Segenswunsch
sikhrono li-vrakha ist (beim Sprechen und beim Schreiben) bei der Erwähnung des verstorbenen
Vaters oder von Verstorbenen allgemein seit der Antike bis heute üblich59. Im Midrasch zu
Gn 18,17: »Da sprach der HERR: Wie könnte ich Abraham verbergen, was ich tun will«, heißt
es:

Rabbi Jizchaq begann seine Rede (Prov 10,7): Das Andenken eines Gerechten sei zum
Segen, aber der Name von Bösen wird verrotten. Rabbi Jizchaq sagte: Jeder, der den
Gerechten erwähnt und ihn nicht segnet, übertritt ein positives Gebot (d. h. >Du sollst...

tun!<)____, aber der Name von Bösen wird verrotten____Also hast du Zeit deines Lebens etwa

gehört, daß einer seinen Sohn Pharao, Sisera, Sanherib nennt, sondern doch wohl eher Isaak,
Jakob, Rüben, Simon? (meine Übersetzung)60.

Warum Rabbi Jizchaq in unserem Midrasch die Vorschrift, man solle das Andenken des
Gerechten zum Segen erwähnen, im Zusammenhang mit dem Vers Gn 18,17 nennt, wird klar,
wenn man weiterliest (Vers 18): »da er doch ein großes und mächtiges Volk werden soll und alle
Völker in ihm gesegnet werden sollen?« Wenn also Gott nach der Nennung des Namens

58 Das Foto dieses Parochet stellte mir wieder Herr Otto Werner dankenswerterweise zur Verfügung
(Lagerort des Originals: HHBH, R. 14). Erwähnt ist der Vorhang wiederum in O. Werner, Schmalzbach,
S. 143, und abgebildet in M. Werner, Die Juden, S. 198, Nr. 33. Angemerkt sei, daß lt. GL bei allen in
Hechingen bestatteten Rabbinern der Morenu-Tnel in der einen oder der anderen Form auf dem Grabstein
erscheint: Löb Aach, gest. 1820 (GL 459), Chajjim Dispecker, gest. 1832 (GL 376),Josef Glogau, gest. 1814
(GL 361), Nathan Reichenberger, gest. 1853 (GL 257) und Dr. Samuel Mayer, gest. 1875 (GL 72), aus dessen
hebr. Inschrift ich kurz mitteile: »Grabmal des Rabbiners MHWRR Rabbi/ Schmu'el Majer von hier
gerufen mit dem Namen/Der Ehre Dr. [in lat. Buchstaben] Majer.« Mit dem Titel MHWRR sind in
Hechingen ferner bedacht Josef Osnitz, gest. 1804/05 (GL 488, wo das hebr. Datum falsch umgerechnet
ist), sowie der aus SM 540-541 bekannte, als Lehrer an der dortigen Talmud Tora, einer jüdischen
Elementarschule, wirkende Wolf Jakob, gest. 1820 (GL 715). Letzterer »ertheilte den Unterricht/nach der
Manier der alten Metzer Schule, deren Zögling er war«. Die letzten beiden scheinen jedoch in Hechingen
nicht als Rabbiner fungiert zu haben. S. auch EJJ 14: 1144 (»SEMIKHAH«).

59 JL IV/2, 342-343 (»SEGENSFORMELN«).

60 BerR 49,1 zitiert nach Ssefer Midrasch rabba, I, Jerusalem 5735 (1974/75), S. 198-199.

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