Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0206
Heinrich Kohring

denke nicht primär an »Stimme«, sondern zunächst einmal an »Kaul« (= Vorname der Gattin
des Verstorbenen); vergiß dann aber auch nicht, daß »kaul« »Stimme« bedeutet, und frage dich,
warum diese Frau mit einer »Stimme« verglichen wird! Ferner gibt es im Text auch einen
grammatischen (morphologischen) Hinweis darauf, daß primär »Kaul« als Name von Akibas
Gemahlin gemeint ist: es heißt auf hebräisch me'et nilqechah QWL, d.h. das -ah am Ende von
nilqechah zeigt an, daß die Verbalform im Femininum steht, QWL in der Bedeutung »Stimme«
ist jedoch ein maskulines Substantiv!

3.3.2 Zur Rückseite ist nicht übermäßig viel zu sagen: zum einen, weil der Text für sich
spricht, zum andern, weil manches bereits aus den vorhergehenden Inschriften bekannt ist. In
philologischer Hinsicht gibt es freilich ein paar Kleinigkeiten zu klären. Zunächst ein Detail, das
man auf einer Grabinschrift nicht erwarten würde: in Zeile 4 (und strebte nach Wohltätigkeit
und Barmherzigkeit in Anlehnung an Prov 21,21) wird ein authentisch nur in der Sprache der
Bibel vorkommendes sog. »Waw consecutivum« gebraucht, d.h. es steht wörtlich da: »und
wird streben nach...«, also die futurische Form des Verbs (hebr. imperfectum), die aber durch
das präfigierte »Waw« (= und) bedeutungsmäßig in die Vergangenheit umgekehrt wird. Das ist,
wie gesagt, eine Eigenart des biblischen Hebräisch und begegnet in aller Regel nicht bei
Inschriften. Es kann hier, so möchte ich annehmen, nur dazu dienen, dem Text stilistisch »eine
höhere Weihe« zu verleihen.

..., das Andenken an den Gerechten sei zum Segen ist eine Formel, die in Wort und Schrift
bei der Erwähnung eines bedeutenden Verstorbenen, eines Gelehrten z.B., neben anderen
ähnlichen Segenswünschen gebraucht werden soll. Auf der Inschrift erscheinen bloß die
Anfangsbuchstaben des Segenswunsches: sekhär zaddiq /ivrakha, also S Z L, was normalerweise
sezdl gelesen wird. Diese Formel stammt wortwörtlich aus Prov 10, 770, woher, leicht
modifiziert, auch das schon besprochene sal (S. 192) sich ableitet. Dieses sezdl hinter dem
Namen David Salomo darf als Hinweis darauf verstanden werden, daß auch Akibas Vater - tel
pere, tel fils! - sich durch besondere Frömmigkeit und/oder Gelehrsamkeit hervortat. Jakobs
und Chailes Vater Rafael, so hatten wir bei der Besprechung der Jakobschen Stele (Rückseite,
S. 190) gesehen, war lediglich mit sal bedacht worden! Seine Qualitäten lagen sicher auf anderen
Gebieten. Jakob Kauila erhält übrigens auf der Stele seiner Gattin Michle (Rückseite, S. 206)
auch das Prädikat sezdl, während Michles Vater Akiba Auerbach in demselben Text trotz seiner
Frömmigkeit und Gelehrsamkeit mit dem Epitheton sal abgespeist wird!

Und er ging den Weg aller Welt: am fünften Tage/Und dies ist der Tagjod Sajin Tevetnach
kleiner Zählung. Sehr änigmatisch mag dem Uneingeweihten die Datierung auf diesem Epitaph
vorkommen. In Wahrheit sind dergleichen Esoterismen in der jüdischen Epigraphik beileibe
nichts Ungewöhnliches. Zunächst einmal die Angabe am fünften Tage - so heißt es verbatim!
Dazu darf man wissen, daß im Hebräischen die Wochentage mit Ausnahme des Sabbat mit der
Ordinalzahl beim Sonntag anfangend durchnumeriert werden, also: Sonntag = erster Tag (jom
rischon), Montag = zweiter Tag (jom scheni), Dienstag = dritter Tag (jom sch'lischi) usw.
Dieses Verfahren hatten die frühen Christen von den Juden übernommen, was sich in Resten
hier und da bis auf den heutigen Tag erhalten hat: in der lateinischen Liturgie der Katholischen
Kirche heißt Montag noch secundaferia, Dienstag entsprechend tertiaferia usw. (nur Samstag
wird sabbatum gesagt, und - wie auch anders! - Sonntag ist dies dominicus, woher natürlich
domenica, domingo, dimanche usw. der Romanischen Sprachen). Im Portugiesischen und im
Neugriechischen hingegen ist diese altchristliche Benennung der Wochentage sogar noch
heutigentags vorhanden (segunda-feira, terqa-feira usw.; Sevteoci, xeiiT] usw.).

70 JL IV/2, 342-343 (»»SEGENSFORMELN«).

198


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0206