Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0208
Heinrich Kohring

gleichwohl besteht ein Unterschied zu den beiden ersten Gedichten: bei den Gedichten für
Chaile und Jakob wurde im Reim fast durchgängig Pänultima-Betonung verwendet, d.h. die
Reimwörter sind auf der vorletzten Silbe (Pänultima) betont, aber es sind dies Wörter, die auch
in der sefardischen Aussprache des Hebräischen71 Pänultima-Ton haben (sog. Paroxytona). Die
Bevorzugung des sog. weiblichen Reims (d. h. des sog. weiblichen Versschlusses mit Paroxytona
) durch Verwendung von Wörtern, die auch in sefardischer Aussprache auf der vorletzten
Silbe betont sind - in aschkenasischer Aussprache sind ja fast alle Wörter Paroxytona -, ist ein
ganz und gar typisches Kennzeichen der sog. Haskala-Poesie, welches letztlich, auf dem
Umweg über Paitanim aus Italien, auf die sog. ottava rima der italienischen Dichtung
zurückgeht, die z. B. ermüdend schön im »Orlando furioso« des Ariost exemplifiziert wird. Da
es im Hebräischen viele Verbformen gibt, die in sefardischer Aussprache Paroxytona sind,
kommen bei den Maskilim soviele Verben am Satz- und Zeilenende vor, wiewohl nach der
hebräischen Syntax Verben nicht am Ende von Sätzen zu stehen pflegen. Im Gedicht für Jakob
Kauila läßt sich das alles sehr schön beobachten: Wörter wie scbdver, qdver, schamdjim, hefiqu
sowie Pausaformen wie bdchu und jissmdchu im Reim und selbstredend auch die »antisyntaktische
« Verbendstellung! Alle Kaulla-Gedichte sind im übrigen nach den Prinzipien der Haskala-
Poesie aufgebaut; die beiden ersten Epitaphe (für Chaile und Jakob) sind es freilich in
vollkommenerer Weise. Auch letzteres spricht dafür, daß Ben Seew, einer der führenden
Vertreter der Haskala, als Verfasser der letztgenannten Inschriften durchaus in Frage kommt.
Wer sich über die Prinzipien der Haskala-Dichtkunst informieren will, findet unter dem
Stichwort »PROSODY, HEBREW« in EJJ (13:1224-28) sehr eingehende Angaben.

MAIER HANAU KAULLA

4. Der Kommerzienrat Maier Hanau Kauila ist Heinrich Schnee zufolge - eine Ansicht, die
ich jedoch nicht teile - einer der Söhne der Madame gewesen, und zudem einer der
geschäftstüchtigsten. Im Jahre 1796 ließ er sich in Hanau nieder, wo er 1806 vom dortigen
Fürsten seinen imposanten Titel verliehen bekam72. Daß er in Hechingen geboren wurde, mag
der Grund dafür sein, daß er in Hechingen und nicht etwa in Hanau bestattet wurde.

71 Die sog. sefardische Aussprache des Hebräischen ist heute die offizielle im Staat Israel. Sie ist die
Aussprache der 1492 aus Spanien (= Sefarad) vertriebenen Juden, die, wie der spanische Gebetsritus, in der
ganzen Mittelmeerwelt verbreitet war. Sie steht der sprachwissenschaftlich rekonstruierbaren Aussprache
des Althebräischen noch recht nahe, ganz im Gegensatz zu jener der aus Aschkenas (= Deutschland)
stammenden mittel- und osteuropäischen Juden. Die Aschkenasen sprechen und betonen das Hebräische
ganz nach jiddischem Muster. In sefardischer Aussprache sind fast alle Wörter endbetont, in aschkenasischer
sind hingegen fast alle Wörter auf der vorletzten Silbe betont. Ein Beispiel: Gn 29,20 (»So diente Jakob
um Rahel sieben Jahre, und es kam ihm vor, als wären's einzelne Tage, so lieb hatte er sie«) zuerst in
sefardischer Aussprache: Wa-ja'av6d ja'aqöv be-rachel scheva schamm wa-jihjü ve-ejndv ke-jamim
achadim be-ahavatö otd, und dann aschkenasisch (westjiddisch): Wa-jdvaud jdkauv be-röchel scheva
schönim wajiju ve-ejnof ke-jömim achddim be-ahavössau dusso.

72 Schnee, Hoffinanz, S. 170-171.

200


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0208