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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0237
Funde aus der Hechinger »Genisa«

Material so zugesetzt, daß wir es für ratsam hielten, die bedeutsamsten und interessantesten
Stücke restaurieren zu lassen. Herr Dr. Richard Landwehrmeyer, der Direktor der Tübinger
Universitätsbibliothek, erklärte sich auf unsere Bitte hin umgehend bereit, den von uns
ausgesonderten Teil des Fundes in seiner renommierten Restaurierabteilung reinigen und
konservieren zu lassen. Der Restaurator, Herr Wellhäuser, nahm sich der Sache gleich mit Eifer
und großer Kompetenz an. Dafür sei ihm und Herrn Dr. Landwehrmeyer an dieser Stelle - auch
im Namen der Hechinger Synagogen-Initiative - herzlichst Dank gesagt. Der größere Teil der
Funde, den wir aus naheliegenden Gründen nicht zur Restaurierung geben konnten - die
Abteilung ist auf Jahre hinaus mit Aufträgen eingedeckt -, wird von uns noch eingehend
ausgewertet und später wieder an die Initiative zurückgegeben werden.

1.1. Besonders bemerkenswert unter unseren Fundsachen waren sechs - mit einer Ausnahme
-recht gut erhaltene Mesusot (Singular: Mesusa oder deutsch Afeswse)6. Dabei handelt es sich
um sogenannte »Türpfosteninschriften« auf Pergament mit der gleichen Tinte und den gleichen
Quadratbuchstaben geschrieben wie bei der im Gottesdienst verwendeten Tora-Rolle, also vom
professionellen Tora-Schreiber, dem »Ssofer STaM« (= Ssofer Ssefarim refillin u-Afesusot, zu
deutsch: Schreiber von Tora-Rollen, Gebetsriemen und Mesusen), und zwar auch unter
Verwendung, wenngleich nicht so konsequent, der sogenannten Tora-Krönchen (Tagin, Sg.
Tag), die auf sieben ganz bestimmten Buchstaben (von insgesamt 22) des hebräischen Alphabets
angebracht werden (s. Foto Nr. 3).

Auf das Pergamentröllchen werden in 22 Zeilen folgende zwei Abschnitte aus dem
Pentateuch aufgeschrieben: 5. Buch Mose (BM) 6, 4-9 (das sog. »Sch'ma Jissra'el«, das
Glaubensbekenntnis), sowie 5. BM11, 13-21. Auf der Rückseite des Pergamentstreifens
befindet sich genau an der Stelle, wo in der ersten Zeile der Vorderseite steht:»... der Herr unser
Gott der Herr...« ein Kryptogramm in der Weise, daß für jeden Buchstaben der Vorderseite der
im Alphabet darauffolgende auf der Rückseite verwendet wird; dadurch soll der vierbuchstabi-
ge Gottesname der Vorderseite amulettartig geschützt werden. Ferner finden wir hinten noch
die Buchstaben Schin - Dalet - Jod, was man Schaddaj lesen kann - und das bedeutet
»Allmächtiger« -, was von manchen aber auch als Abkürzung für »schomer daltot Jissra'el«
(= Hüter der Tore Israels) gedeutet wird. Dieses Schaddaj schaut aus einer Öffnung in der
Kapsel, in die man die Mesuse steckt, heraus; solche Kapseln können aus Holz oder auch aus
Metall (z.B. Silber), ja selbst aus Glas, bestehen und besaßen zum Schutze des Wortes Schaddaj
ein verschließbares Kläppchen - heute verzichtet man vielfach darauf -, welches man dann
öffnet, wenn man das Wort Schaddaj beim Betreten oder Verlassen eines Raumes oder des
Hauses mit den Fingerspitzen berührt, die man anschließend zum Kuß an die Lippen führt.
Angebracht werden Mesusot in ihren Gehäusen - vom Eintretenden aus gesehen - am rechten
Türpfosten der Tür eines jeden bewohnbaren Raumes (Keller und Stallungen sind folglich
ausgenommen) sowie am rechten Pfosten aller Tore, und zwar im oberen Drittel des Pfostens,
wobei der obere Teil der Mesusenkapsel schräg nach innen ins Haus bzw. den betreffenden
Raum zeigt. Häuser von Juden sind also durch die dort befestigte Mesuse auf Anhieb zu
erkennen.

Unsere Hechinger Mesusen sind - abgesehen von zwei kleineren - ca. 10 cm hoch und ca.
9 cm breit; die Schrift ist in allen Fällen noch ausgezeichnet bis deutlich zu sehen. Eine davon
war eifrigst geküßt worden, was man daran erkennt, daß das Schaddaj halb abgewischt und auch
der Bereich darum dunkel verfärbt ist! Alle unsere Pergamentröllchen sind übrigens, wie das
auch bei Tora-Rollen üblich ist, vor dem Beschreiben mit einem Schilfrohr (sargel) ohne Tinte
liniert worden. Zwei sind jeweils an einer Stelle seitlich in einer der vorgezogenen Linien
eingerissen; infolge der starken Austrocknung des Pergaments und der dadurch bedingten
Verziehung ist das auch nicht besonders verwunderlich. Zunächst hatten wir gedacht, es

6 Vgl. JL IV/1, 140-142 (»MESUSA«) und EJJ11: 1474-1477 (»MEZUZAH«).

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