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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0238
Frowald Hüttenmeister / Heinrich Kohring

handele sich bei diesen Einrissen um »Einschnitte«, um damit die betreffenden Mesusen als
unbrauchbar (passul) zu kennzeichnen. Herr Paul Rosenkranz, Lehrbeauftragter am Judaicum
der Universität Tübingen und Angestellter der Israelitischen Religionsgemeinschaft in Stuttgart
, teilte uns jedoch mit, daß ein solches Verfahren bei Mesusen nicht gebräuchlich sei. Bei
näherer Inspektion stellte sich dann auch ziemlich deutlich heraus, daß der Riß höchstwahrscheinlich
auf natürliche Weise entstanden ist. Mesusen sollen übrigens in einem Zeitraum von
sieben Jahren zweimal auf ihre Tauglichkeit hin von einem Tora-Schreiber oder einem
Gesetzeskundigen inspiziert werden, denn wenn auch nur ein Buchstabe verblaßt ist, werden sie
»passul«. Die Kapseln, in denen sich unsere Mesusen einst befunden hatten, waren leider nicht
mehr auffindbar. Als Besonderheit sei angemerkt, daß bei einer unserer Mesusen die Zeilen
senkrecht zur Aufrollrichtung angeordnet sind; normalerweise verlaufen sie nämlich parallel
dazu.

Die halachische (= religionsgesetzliche) Begründung für das Anbringen der Mesuse stützt
sich auf 5. BM6,9, sowie ebd. 11,20, zwei Verse, die ja auf dem Pergament der Mesuse selber
erscheinen: »Und du sollst sie (sc. diese Worte) schreiben auf die Pfosten (= mesusot) deines
Hauses und an deine Tore« (5. BM 6, 9).

1.2. Ferner entdeckten wir bei den Fundsachen eine Menge an Fragmenten von Gebetsriemen
(Tefiiiin)7. Einer von ihnen ist noch fein säuberlich aufgewickelt. Es sind durchweg bloß
die Lederriemen (rezuot) oder Teile davon vorhanden; von einer Kapsel (bajit, PI. battim oder
tefülin im engeren Sinne), an denen die Riemen befestigt sind, fanden sich Einzelteile. An der
Art der noch vorhandenen Knoten (qäschär, PI. qescharim) ist überdies deutlich zu erkennen,
daß wir es sowohl mit Hand- als auch mit Kopftefillin zu tun haben (S. Foto Nr. 2).

Nun einige Hinweise zu Aussehen, Gebrauch und Zweck von Gebetsriemen. Die Hauptsache
sind hierbei die schwarzen, aus dem Leder eines rituell reinen Tieres (z.B. Kalb)
bestehenden, würfelförmigen Kapseln oder Kästchen (battim), in denen sich gewisse auf
Pergamentröllchen geschriebene Bibelverse befinden, und zwar: (1) 5. BM6,4-9; (2) ebd. 11,
13-21 (also genau wie auf der Mesuse), und (3) 2. BM 13, 1-10, sowie endlich (4) 2. BM 13,
11-16. In der auf den Kopf zu bindenden Kapsel sind die genannten Abschnitte auf vier
verschiedene Pergamentröllchen geschrieben, in der auf den linken Unterarm, innen unterhalb
der Ellenbogenbeuge, dem Herzen gegenüber, zu befestigenden Kapsel hingegen sind die vier
Tora-Abschnitte auf ein einziges Röllchen aufgezeichnet. Der hier zuständige Schreiber ist
natürlich der bereits erwähnte »Ssofer STaM«, d.h. auch bei Gebetsriemen-Inschriften wird die
für die Tora-Rolle übliche Quadratschrift mit den dazu gehörenden Krönchen verwendet.
Festgebunden werden die Tefillin-Kapseln mit den darin befindlichen Pergamentröllchen mit
Hilfe der erwähnten Lederriemen, die auf der Außenseite, wie auch die gleichfalls aus Leder
verfertigten Kapseln, schwarz eingefärbt sein müssen, und zwar wie folgt: die Kopfkapsel wird
oben an der Stirn am Haaransatz aufgesetzt, der aus einem Stück gefertigte lange Riemen
verläuft dabei um den Schädel herum und wird am Hinterkopf in Form des hebräischen
Buchstabens Dalet verknotet; die losen Enden läßt man rechts und links des Halses über der
Brust herunterhängen. Daß man den Lederriemen zu einem Dalet verknotet, hat folgenden
Sinn: auf der Kopfkapsel befindet sich der Buchstabe Schin, und die beiden aus dem Knoten
heraustretenden Riemenenden sollen den Buchstaben Jod symbolisieren, macht alles in
allem: Schin - Dalet - Jod = Scbaddaj (»Allmächtiger«)! An der Armkapsel, die, wie schon
erwähnt, am oberen Ende des linken Unterarms innen festgebunden wird, ist gleichfalls ein
langer Riemen angebracht: dessen kurzes Ende bildet auf der einen Seite der Kapsel eine
Schlaufe und ist auf der anderen Seite der rückseitig angebrachten »Führung« (ma'barta)
verknotet. Durch diese Schlaufe nun läuft das lange Ende des Riemens hindurch. Das kurze
Ende wird oberhalb des Ellenbogens vermittels Schlaufe und langem Ende festgezogen, sodann

7 Vgl. JL IV/2, 899-901 (»TEFILLIN«) und EJJ 15: 898-904 (»TEFILLIN«).

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