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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0240
Frowald Hüttenmeister / Heinrich Kohring

Das macht fünf Knoten plus acht Fäden plus 600 (das ist der Zahlenwert des Wortes zizit);
addiert ergibt das 613, und dies ist die Gesamtzahl der Gebote und Verbote des Judentums (die
sog. »Tarjag Mizwot«). Die Fäden sollen nach streng orthodoxer Auffassung aus demselben
Material bestehen wie der Gebetsschal, zumindest aber sollten Wolle (Zizit) und Leinen (Tallit)
nicht zusammen verwendet werden, denn das wäre ein Verstoß gegen das sogenannte
Scha'atnes-Verbot (3. BM19,19, und 5. BM 22,11: »Du sollst nicht anziehen ein Kleid, das aus
Wolle und Leinen zugleich gemacht ist«). Nach talmudischer Auffassung freilich erstreckt sich
das Scha'atnes-Verbot nicht auf die Zizit (bMen 40a/b).

Wichtig sind ferner die links und rechts außen von oben nach unten senkrecht zur Atara,
dem Kragenstück, verlaufenden, eingewebten schwarzen Querstreifen. Für Anzahl und Breite
dieser Streifen gibt es keine Vorschrift; zudem verwendet man heute gerne blaue Streifen - die
Flagge des Staates Israel ist einem blaugestreiften Tallit nachempfunden.

Angelegt wird ein Gebetsmantel werktags, am Sabbat und an Feiertagen jeweils nur beim
Morgengebet. Ausgenommen ist der 9. Aw, der nationale Trauertag, wo man sich allerdings
beim Nachmittagsgebet (Mincha) in seinen Tallit einhüllt. Am Versöhnungstag wird er den
ganzen Tag über in der Synagoge getragen. Verwenden sollen ihn eigentlich nur verheiratete
Männer, aber heutzutage sieht man in vielen Synagogen sogar kleine Jungen mit Miniatur-
Tallitot.

Entstanden ist der Tallit aus dem in der Antike allgemein - also auch von Nicht-Juden -
getragenen Obergewand, an das Juden die vorgeschriebenen Schaufäden (Zizit) anbrachten -
so übrigens auch Jesus, wie aus dem griechischen Text von Matth. 9,20 klar hervorgeht. In der
Diaspora glichen sich die Juden in der Kleidung an die Umwelt an und behielten das
burnusartige Obergewand nur noch beim Gebet bei.

1.5. Verwandt mit dem Tallit ist ein weiteres Fundstück, nämlich der Stoff-Fetzen, der von
einem Arba-Kanfot (volkstümlich: arbe kanfes) übriggeblieben ist9. Das ist eine Art Leibchen
aus einem viereckigen Stück Stoff mit einem großen, kreisförmigen oder quadratischen Loch in
der Mitte. An den vier Ecken (hebr. arba kanfoi) befinden sich wie beim Tallit je vier kleine,
durch einen untergenähten Besatz verstärkte Löcher, durch welche Zizit hindurchgezogen
werden. Man zieht ein Arba-Kanfot so an - unter dem Oberhemd, aber nicht direkt auf dem
Leib -, daß man den Kopf durch das Loch in der Mitte steckt; je zwei Zizit baumeln dann vorne
vor der Brust herunter, die beiden anderen hängen hinten auf dem Rücken. Ferner konnten
vorne und hinten noch schwarze Querstreifen (wie beim Tallit) auf dem Tuch sein, vorgeschrieben
war dies aber nicht. Deswegen halten wir besagten Leinenfetzen auch für den Rest eines
Arba-Kanfot (und nicht eines Tallit), weil (1) die Querstreifen fehlen und (2) die beiden Löcher
für die Zizit zu dicht beieinander liegen - es ist also nur der vordere oder aber der hintere Teil
erhalten.

Der Sinn eines Arba-Kanfot liegt nun darin, das Gebot des Tragens der Schaufäden aus
4. BM 15, 37-41 den ganzen Tag erfüllen zu können (in der Nacht war es nicht vonnöten, heißt
es doch: »... sooft ihr sie [sc. die Zizit] anseht, sollt ihr an alle Gebote des HERRN denken...«
[ebd., Vers 39] - in der Nacht sieht man ja nichts). Eine andere Bezeichnung für den Arba-
Kanfot ist tallit qatan (= kleiner Tallit) im Gegensatz zum tallit gadol (= großer Tallit), dem in
1.4. besprochenen Tallit.

1.6. Ebenfalls in die Kategorie »religiöse Objekte« gehören die fünf Lulaw-Ringe10, die wir
wieder ans Tageslicht brachten. Lulaw-Ringe haben die Aufgabe, den Feststrauß (Lulaw) für
das Laubhüttenfest zusammenzuhalten, denn letzterer besteht aus einem Palmenwedel, zwei
Bachweidenzweigen und drei Myrtenzweigen lt. der biblischen Vorschrift aus 3. BM23, 40:

9 S. unter denselben Einträgen in JL bzw. EJJ wie in Fn 8.

10 Vgl. JL II, 629-631 (»FESTSTRAUSS«).

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