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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0241
Funde aus der Hechinger »Genisa«

»Ihr sollt am ersten Tage (sc. des Laubhüttenfestes) Früchte nehmen von schönen Bäumen,
Palmwedel und Zweige von Laubbäumen und Bachweiden und sieben Tage fröhlich sein vor
dem HERRN, eurem Gott,..«. Mit dem Lulaw in der Hand vollführt die Gemeinde an einem
jeden der sieben Tage des Laubhüttenfestes einen Umzug um den Almemor, das Tora-Lesepult
(mit Ausnahme des Sabbat; am siebten Tag, dem Hoschanrta Rabba, hingegen finden sieben
Umgänge statt). Unsere Ringe für den Lulaw sind aus mehreren dünnen Ästen verfertigt, die
man in die Form eines Ovals gebogen und mit einem ca. 1 cm breiten Grashalm umwickelt hat,
damit sie nicht auseinandergehen. Lulawim selber, die man gleichfalls in die Genisot gab, waren
in Hechingen keine mehr anzutreffen. In Freudental fanden wir übrigens Unmengen von
solchen LuUw-Ringen\

1.7. Die fünf Holzstäbe, die wir in unserem Material vorfanden, hielten wir zunächst für
Tora-Zeiger (jad, PI. jadot)n (s. Foto Nr.2). Tora-Zeiger benutzt man beim Vorlesen aus der
Tora-Rolle, um den Text nicht mit den Fingern berühren zu müssen; dies geschieht aus
Ehrfurcht vor dem heiligen Text, aber auch aus ganz praktischen Gründen: der mit Tinte
geschriebene Text würde sonst ziemlich schnell verwischt werden! Solche Tora-Zeiger enden
oben für gewöhnlich in der Nachbildung einer Hand mit ausgestrecktem Zeigefinger, am
unteren Ende ist eine Kette angebracht, mit der man den Zeiger um einen der beiden Holzstäbe
der Tora-Rolle bzw. am metallenen Brustschild (Tass) der Rolle befestigt. Zeiger aus Metall
(sehr häufig wird Silber verwendet) bestehen in der Regel aus einem einzigen Stück, bei solchen,
deren Schaft aus Holz gefertigt ist, wird auf das eine Ende eine Metallhand aufgesteckt, während
die Metallkette am unteren Ende festgemacht wird. Da bei unseren Holzstäben - soweit
vollständig - keinerlei Spuren, weder oben noch unten, zu entdecken sind, die auf die
Befestigung von nicht mehr vorhandenen Metallteilen hindeuten, schlössen wir uns der Ansicht
von Herrn Rosenkranz an, daß es sich bei bewußten Stäben wohl kaum um Tora-Zeiger
handeln könne. Vielmehr sind wir zu der Auffassung gelangt, daß diese Stäbe sogenannte
Teitel12 sind! Das sind Hölzchen, die der Melammed, der Kinderlehrer, im Cheder, der
jüdischen Grundschule, verwendet, um dem noch ungeübten Schüler eine Art Hilfestellung
beim Lesen zu geben. Allerdings konnten solche »Teitlech« auch bei der Tora-Vorlesung
Verwendung finden.

Die Stäbe sehen folgendermaßen aus: sie sind 28cm lang (d.h. die zwei ganzen, drei sind
abgebrochen), bestehen aus einem Stück, sind im oberen Drittel leicht verdickt und laufen zu
den beiden Enden hin konisch aus. Im Bereich der dicksten Stelle sind sie dekorativ mit braunen
Streifen ungleicher Breite bemalt.

1.8. Sehr schwer sind die zahlreichen Schuhe - darunter eine Menge von Kinderschuhen -
einzuordnen (s. Foto Nr. 2). Bei den schwarzen, durchschnittlich 13 cm langen Lederschuhen
für Kinder, hinter deren Absätzen noch Straßendreck klebte, handelt es sich eigentlich um
Pantinen mit einem relativ hohen Absatz ohne Fersenteil und einem geschlossenen Lederstück
über Zehen und Vorderfuß. Wir sind ziemlich bald auf den Gedanken gekommen, daß die
Kinderschuhe zumindest von Eltern frühverstorbener Kinder aus einer Art Pietät heraus in die
Genisa gegeben worden sind. Herr Rosenkranz, der uns auch hier freundlicherweise als
Gewährsmann diente, kannte aus eigener Erfahrung einen solchen Brauch (minhag) nicht, und
auch seine Nachforschungen in der Stuttgarter jüdischen Gemeinde, in der Ostjuden aus allen
möglichen Gegenden vertreten sind, ergaben nichts Konkretes: nirgendwo war ein solcher
Usus bekannt! Gleichwohl mochte Herr Rosenkranz nicht ausschließen, daß unsere Vermutung
zutreffen könne. Ins Wanken freilich gerät sie durch die vielen Schuhe von Erwachsenen,
die wir erst später ausfindig machten. Erst recht stutzig wurden wir dann durch zwei

11 Vgl. JL IV/2, 988-989, Nr. 6 (»TORASCHMUCK«).

12 Vgl. JL IV/2, 902 (»TEITEL«) sowie S.Wolf, Wb, unter »taitel«.

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