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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0242
Frowald Hüttenmeister / Heinrich Kohring

ausgesprochen elegante, hochhackige Damenschuhe von verschiedenen Paaren! In der Freudentaler
Genisa haben wir bislang - knapp die Hälfte der dortigen Riesenmasse an Funden
haben wir erst gesichtet - bloß Teile eines einzigen Kinderschuhs ausgemacht. Zu allem
Uberfluß entdeckten wir unter unseren Hechinger Funden auch einen eleganten, roten
Damenlederhandschuh (!) sowie einen Posten »varia textilia« (Westen, Wollstrümpfe und
andere, nicht zu identifizierende Stoffreste). Herr Rektor Otto Werner, Hechingen, der sich
durch zahlreiche gehaltvolle Publikationen zur jüdischen Geschichte Hechingens ausgewiesen
hat, äußerte in einem Privatgespräch uns gegenüber die Vermutung, daß es sich bei den Schuhen
und den Textilien um ausgemusterte Sachen aus dem Besitz der Vorbeterfamilie gehandelt
haben könne, denn bis ca. 1850 befand sich unter einem Dach mit dem Gotteshaus die
»Behausung« des Vorbeters, die dieser bis 1830, dem Jahr der Errichtung des israelitischen
Gemeindehauses neben der Synagoge, bewohnt hat13. Das könnte allerdings des Rätsels Lösung
sein. Auf einigermaßen sicherem Boden hingegen sind wir wieder bei folgenden Objekten:
Reste eines Tonkruges (Henkel, Teile des Deckels), der vielleicht zur Aufbewahrung alter Tora-
Rollen gedient hat, sodann ein Rabbinerbarett sowie ein Beutel aus grober Sackleinwand mit
einer angenähten breiten Trageschlaufe, der, wie sich nach vorsichtiger Auftrennung der
rechten Seitennaht ergab, mit leeren Haferkörnern prall gefüllt war - wir hatten mehr erwartet!
Herr Landesrabbiner Joel Berger von Stuttgart erklärte uns, daß es sich mit diesem Haferkör-
nerbeutelchen folgendermaßen verhielte: man hängte solche Säckchen als Symbol der Fülle und
des Lebens in der Synagoge auf.

DRUCKWERKE UND HANDSCHRIFTLICHES

2. Den weitaus größten Teil unserer Funde machen freilich Druckwerke aus, wie dies kaum
anders zu erwarten war. Im folgenden wollen wir nun nicht alle aufgefundenen Werke, d. h.
Bruchstücke davon, im einzelnen würdigen, sondern uns lediglich auf die Auflistung der
verschiedenen Kategorien von religiöser und profaner Literatur beschränken.

2.1. Bei den Buchresten - und auch das war kaum anders zu erwarten - bilden den bei
weitem größten Teil die Gebetbücher (Siddarim, Sg. Siddur). Darin ist das tägliche Morgen-,
Nachmittags- und Abendgebet für den einzelnen und die Gemeinde - was im Judentum
identisch ist - enthalten, ferner Segenssprüche, die man bei verschiedenen Anlässen zu sprechen
hat, sowie das Gebet für den Sabbatempfang am Freitagabend (qabbalat schabbat) und für die
Gottesdienste am Sabbat selber von morgens bis abends. Der Siddur ist übrigens ganz in
hebräischer Sprache abgefaßt.

Einer der berühmtesten Druckorte für jüdische Bücher war Sulzbach in der Oberpfalz
(heute: Sulzbach-Rosenberg), wo zwischen 1669 und 1851 über 700 verschiedene Titel teils in
hebräisch, teils in jüdischdeutsch gedruckt wurden. Bedeutend war ferner Fürth, wo seit 1691
hebräisch gedruckt worden ist. Aus Sulzbach ist u. a. ein Gebetbuch aus dem Jahr 5513 (= 1752/
53) unter unseren Funden erhalten. Es enthält, wie wir der Vorrede auf dem Titelblatt
entnehmen können, eine jiddische Übersetzung der hebräischen Gebete (s. Bild Nr. 6) nebst
einem jiddischen Kommentar und - im Vorwort - eine Entschuldigung für dieses wohl doch
unübliche Verfahren. Da es im Hebräischen keine Ziffern gibt, werden, ähnlich wie im
Altgriechischen, die Zahlen im Druck durch Buchstaben wiedergegeben: Alef = 1, Bet = 2 usw.
Häufig wird, vor allem in religiösen Büchern, statt der Jahreszahl in Buchstaben ein Bibelvers
zitiert, dessen Buchstaben insgesamt (oder einige daraus) addiert das Druckjahr ergeben
(Chronogramm). In dem gerade erwähnten Siddur steht unten auf der Seite der hebräische Satz:

13 S. bei M. Werner, Die Juden, S. 137, und O. Werner im »Schwarzwälder Boten«, wo er sagt: »Um
diese Zeit (sc. 1764) war bereits eine Behausung (Wohnung) des Vorsängers mit der Synagoge verbunden.«

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