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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0260
Frowald Hüttenmeister / Heinrich Kohring

Der in unserem Text erwähnte Santerre war seinerzeit »commandant general de la garde
nationale de Paris« und ist durch Charles Baudelaire auch zu literarischen Ehren gelangt: In dem
Stück »La Solitude« aus den »Petits Poemes en Prose« ist unter anderem von den »tambours de
Santerre« die Rede, d.h. von den Trommelwirbeln, mit denen er den armen König zum
Schweigen brachte - im Gegensatz zur Darstellung des oben zitierten Textausschnittes!

2.10. Aus einem Cheder, einem Schulzimmer für den Elementarunterricht im Hebräischen,
ist der Rest eines Schaublattes, einer Buchstabiertafel, erhalten (von 1823), die, einseitig
bedruckt, wohl an der Wand aufgehängt wurde. Eingerahmt von Blumenornamenten sind die
Buchstaben des hebräischen Alphabets, versehen mit den verschiedenen Vokalzeichen, abgedruckt
, sowie darüber verschiedene Segenssprüche, aus denen sich das Morgengebet der Kinder
zusammensetzt (s. Foto Nr. 10). Des weiteren fanden sich eine ganze Reihe von Luchot (Sg.
Luach), das sind Kalender, und zwar sowohl solche im Taschenformat als auch große, einseitig
bedruckte zum Aufhängen an die Wand. Die großen Wandblätter stammen aus den Jahren
1777/78 bis 1818/19. Auf ihnen sind neben dem jüdischen Kalendarium und den jüdischen
Festen sowie den Wochenabschnitten der Tora auch das christliche Kalendarium abgedruckt
zusammen mit den christlichen Feiertagen und Festen der Heiligen wie auch Marktorte und
Markttage. So steht z. B. unter Sabbat, 10. Tischri 5555 (= 4.10.1794): Fasten - Jörn Kippur und
Franziskus; zwei Tage später: Bamberg (weil dort an diesem Tag ein Markt stattfand). Die
Taschenkalender aus den Jahren 1754/55 bis 1820/21 (natürlich nicht fortlaufend für jedes Jahr
ebensowenig wie die Wandkalender) sind zumeist wie auch die Wandkalenderblätter in
Sulzbach gedruckt und bieten teilweise zusätzlich noch Hinweise auf Schiffs- und Fährverbindungen
, auf Hausmittel gegen Krankheiten, auf Tage, an denen es ratsam ist, zur Ader gelassen
zu werden oder eine Reise anzutreten; ferner ist ein »ewiger Kalender« beigegeben mit Angaben
wie »glat eiss«, »hipsch weter«, »sehr warem« usw. In unserem ältesten Luach, dem von 1754/
55, finden wir beispielsweise unter dem 29. Dezember: »Elisabet grausse zarin fun russ land
- ASschanim (= Jahre)«, und davor mit Eintrag vom 8. Dezember: »Franzisskuss Schtefen
remischer keisser - 46 schanim«, d.h. es sind in diesen Kalendern auch die Geburtstage von
Kaisern, Königen und sonstigen Landesherren angezeigt. Ein Taschenkalender aus Frankfurt/
Main aus dem Jahr 1817/18 (»Kalender mit den Gebetszeiten für den Nachmittag und den
Abend sowie den Sabbateingang in der Heiligen Gemeinde Frankfurt am Main«, wie es
hebräisch auf dem Titelblatt heißt) gibt auch noch die »Thorschlusszeiten« der Stadt Frankfurt
an. Diese kleinen Taschenkalender, die einfach jedermann benötigte, waren neben den bereits
erwähnten Halbfolio-Machsorim das finanzielle »Standbein« der Sulzbacher Druckerei. Da
man sich des Absatzes hierbei absolut sicher war, wurde auf die drucktechnische Aufmachung
dieser Luchot wenig Sorgfalt verwendet: es finden sich zahlreiche Druckfehler und Versehen
jeglicher Art. Gedruckt wurden sie, wie wir anhand unserer Funde nachweisen können, nicht
nur in Sulzbach, sondern auch z.B. in Fürth bei Isaac David Zürndorffer und bei Wolf
Heidenheim in Rödelheim.

2.11. Einige der Vorsatzblätter der aufgefundenen Gebetbücher sind mit handschriftlichen
Eintragungen versehen, zumeist nur einfachen Besitzvermerken. Außerdem fand sich ein Brief
sowie einige wenige beschriebene Blätter, deren Zustand freilich so schlecht ist, daß sie erst
fachmännisch behandelt werden müssen, bevor man sie entfalten und lesen kann. Inzwischen ist
ein Teil der Funde bereits restauriert, wobei weiteres handschriftliches Material zum Vorschein
kam. Auf einem dieser gereinigten Vorsatzblätter entzifferten wir folgenden Besitzvermerk in
hebräischer Schreibschrift: »Mosche ben K"MR xy, Friedrichstrass« (= Moses, Sohn des
ehrenwerten Herrn xy [Name nicht lesbar], Friedrichstraße [das Getto vor der Stadt]). Ein
anderes Gebetbuch trug auf der Innenseite des vorderen Buchdeckels, wie gleich beim Sichten
der Funde zu erkennen, den Bleistiftvermerk: »Di tefilloh gehert Itzik ben K"H Awrom
jichjäh, Hechingen« (= Das Gebetbuch gehört Isaak, dem Sohn des ehrenwerten Herrn

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