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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0261
Funde aus der Hechinger »Genisa«

Abraham, er möge leben, Hechingen). Auf dem Hechinger Judenfriedhof existiert interessanterweise
noch ein Grabstein mit der Aufschrift »Jitzchaq ben Avraham me-Hechingen«
(= Isaak, Sohn des Abraham aus Hechingen) vom Jahr 1771. Möglicherweise ist der dort
Begrabene der Besitzer unseres Gebetbuches gewesen?

Hochinteressant bei dieser Art von Material ist das Blatt aus einer Haushaltsausgabenlistel
Diese größtenteils in hebräisch, teils auch in deutsch (wo der Schreiber das hebräische Wort
offenbar nicht kannte) geführte Aufstellung erstreckt sich über einen Zeitraum von genau acht
Wochen, wobei die Wochen nach gut altjüdischer Sitte nach dem gerade in der betreffenden
Woche zur Verlesung kommenden Tora-Abschnitt bezeichnet sind, also: Pequdej (2. BM38,
21-40,38), Wajjiqra (3. BM 1,1-5,26) usw., dazwischen eine Woche Pessacb bis Woche
8 = Amor (3. BM 21,1-24,23); es handelt sich um die Frühlingszeit, mehr ist leider nicht zu
ermitteln! Nach jeder Woche ist die ausgegebene Summe in Gulden und Kreuzern aufgeführt.
Was wurde eingekauft? Tevu'a (= Getreide), lächäm (= Brot), lächäm lavan (= Weißbrot),
chalav (= Milch), qitnijjot (= Hülsenfrüchte), chäm'a (= Butter), schämän (=01), bassar
(= Fleisch), dagim (= Fische), chalav u-vezim (= Milch und Eier), mälach (= Salz), jdjin
(= Wein) und jdjin ssaraf (= Branntwein), ferner Kaffee, Zucker, Lichter, Schnitz, Schnupftabak
), Zwetschen, Zimt, Fetrmessr (= Federmesser), chotäm-waks (= Siegelwachs), Wäscherin
und schließlich in einer Woche 24 Kreuzer für den Schabbes-Gojl Leider können wir einige
wenige Wörter nicht lesen; in einem Fall ist das besonders ärgerlich: es steht da zwei f
= 36Kreuzer und in der Zeile darunter noch eins (= 'od ächad) = 18Kreuzerl Schade, daß wir
nicht wissen, wer diese Liste wann geführt hat.

ZWEI BESONDERE FUNDE

3. Zwei Fundsachen möchten wir zum Schluß noch gesondert besprechen; sie kamen zuerst
zum Vorschein - zu einem Zeitpunkt, als wir annahmen, weitere Funde seien wohl nicht zu
erwarten. Diese beiden ersten Objekte haben wir bereits am 11.7.1983 an Herrn Dr.
Landwehrmeyer weitergegeben, der sie unverzüglich der Restaurierabteilung übergab.

3.1. Es handelt sich dabei erstens um einen sogenannten »Tillim-Bentscher«, ein Psalmenbüchlein
, dessen vorderer Einbanddeckel und Rücken noch erhalten gewesen waren (Foto
Nr. 5). Die letzten beiden Drittel des kleinen Werkes fehlen bedauerlicherweise; erhalten ist das
erste Drittel bis Psalm 55, 7a (Blatt 30a/b), einschließlich des Wortes »ewär« (= hier: Flügel;
»Ich sprach: O hätte ich Flügel [wie Tauben, daß ich wegflöge und Ruhe fände.]«). Gedruckt
worden ist das Büchlein im Jahre 5531 (= 1770/71) in Sulzbach. Das kleine Format - DIN A 7
(Viertelblatt) nach modernen Normen - deutet darauf hin, daß es dazu bestimmt war, überallhin
mitgenommen zu werden. Auf der Titelseite steht gleich obenan: »Psalmenbuch nach den
Wochentagen angeordnet, und wer es jeden Tag sagt, ist versichert, ein Kind der künftigen Welt
zu sein.« Dazu muß man wissen, daß Juden Psalmen bei nahezu jeder Gelegenheit »sagten«:
man betete sie besonders bei drohenden Gefahren, und selbst wenn keine Gefahr vorlag, lasen
ganz Fromme täglich alle 150 Psalmen, um auf diese Weise das ewige Leben ganz sicher zu
erwerben. Bei der einstmaligen Beliebtheit der Psalmen unter Juden nimmt es keineswegs
wunder, daß man häufig auf Grabsteinen aufgeschlagene Psalmenbüchlein eingemeißelt sieht
- oft eindeutig als Psalter gekennzeichnet durch die hebräischen Buchstaben Ssamech/Taw
(= Ssefer Tehillim).

Ferner hat der Drucker mit Stolz auf dem Titelblatt hebräisch vermerkt: »Erneuert in aller
Schönheit, gereinigt von jeder Schlacke, Fehlern und Versehen«, was sich im Original sogar
reimt, aber freilich den Tatsachen nicht entspricht! Gleich auf der Rückseite finden sich in dem
Gebet, das man vor dem Psalmenlesen sprechen soll, eine Reihe von Druckfehlern, insbesondere
was die Vokalisierung anbetrifft!

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