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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0278
Hans Speidel

Hechinger Landrat. Auch dieser war in früheren Jahren Studienrat am Hechinger Gymnasium
und verbrachte bei Kriegsende seinen Ruhestand in der Kreisgemeinde Owingen. Er sprach
ausgezeichnet französisch, was ihm im Verkehr mit den Franzosen in den ersten Monaten der
Besatzungszeit sehr zustatten kam. Da er keine Verwaltungskenntnisse besaß, stand ihm der
von den Franzosen abgesetzte Landrat Schraermeyer als Mitarbeiter und Berater zur Seite.
Dr. Remark trat auf seinen Wunsch im August 1946 wieder in den Ruhestand. Bei seiner
Verabschiedung schilderte er die schwierige Lage, mit der die Verwaltung in der ersten
Nachkriegszeit fertig werden mußte: An den Hauptverkehrswegen, die durch die sinnlosen
Brückensprengungen in den letzten Kriegstagen nicht mehr befahrbar waren, mußten die
Schäden behoben werden. Auch die zerstörten Eisenbahnbücken waren wieder instandzusetzen
und die Beschädigungen an den Fernsprechanlagen zu beheben. Lebensmittel und andere
lebenswichtige Dinge mußten beschafft werden. Bei allen diesen Aufgaben war der Kreis
gefordert. Eine übergeordnete deutsche Stelle war ja nicht vorhanden. Durch die völlige Lösung
von Preußen war der Kreis zunächst ganz auf sich selbst gestellt, und die Verbindung mit den
Tübinger Regierungsstellen trat erst später ein. Der Kreis war »eine kleine selbständige
Wirtschaftsrepublik«, die auf eigene Rechnung und Gefahr wirtschaftete. So mußten sogar die
Versicherungen in der ersten Zeit ihre Abgaben an die Kreiskommunalkasse abführen, und auch
die Einkommen-, Umsatz-, Gewerbe- und Vermögenssteuer sowie die Verbrauchssteuern
wurden mit Genehmigung der Militärregierung von der Kreiskommunalkasse vereinnahmt.

Die mit Zustimmung der Militärregierung in den Gemeinden eingesetzten Bürgermeister
waren keine Fachleute. In Hechingen z. B. war zunächst ein Berufsschullehrer (Otto Fritz), in
Haigerloch ein Brauereibesitzer (Josef Zörlaut) und in Burladingen ein Gastwirt (Johann Graf)
Bürgermeister. Sie alle waren auf die Mithilfe und Unterstützung der Angestellten ihres Amtes
sowie auf die Hilfestellung durch Beamte des Landratsamts angewiesen. So mußte das
Landratsamt immer wieder helfend einspringen, um mit den in den Gemeinden auftretenden
Schwierigkeiten, vor allem bei Verhandlungen mit den Franzosen, fertig zu werden. Nicht
selten mußte der Landrat sogar den neuen Bürgermeister für die Gemeinde ausfindig machen.
Dazu gehörte manchmal eine große Überredungskunst, da sich geeignete Personen nicht bereit
fanden, das damals so undankbare Amt zu übernehmen. Denn der Bürgermeister machte sich
durch unpopuläre Maßnahmen, die er durchführen mußte, nicht nur bei der Bevölkerung oft
unbeliebt, sondern es kam auch bei den Verhandlungen mit den Franzosen oft zu harten
Auseinandersetzungen und Zusammenstößen. Berüchtigt war der für die Aufbringung von
Vieh und von landwirtschaftlichen Abgaben aller Art zuständige französische Offizier. Dieser
kam jede Woche ein bis zwei Tage aus Tübingen und fuchtelte mit seiner Reitpeitsche, die er
ständig bei sich trug, auf den Rathäusern herum. Er schlug damit auf den Tisch, wenn er
Widerstand spürte und seinen Anforderungen nicht gleich entsprochen wurde. Auf diesen war
es vor allem bezogen, wenn ein Landbürgermeister einmal etwas überspitzt sagte: Die
Franzosen konnten alles brauchen. Fleisch und Vieh waren abzuliefern. Getreide mußte
requiriert werden. Lebensmittel aller Art nahmen die »Sieger« mit. Und wenn man es ironisch
sagen will: sie wollten die Hühner im Suppentopf und deren Eier in der Bratpfanne. Im Sommer
1946 hatte eine Auseinandersetzung des erwähnten Besatzungsoffiziers mit dem neu eingesetzten
Bürgermeister von Bisingen sogar ein gerichtliches Nachspiel. Dieser hatte, um eine
Beschlagnahme zu vermeiden, angegeben, in seiner Gemeinde gebe es z. Zt. kein schlachtreifes
Schwein. Als sich der französische Offizier bei der Nachprüfung dieser Behauptung bei einigen
Bauern vom Gegenteil überzeugt hatte, ließ er den Bürgermeister sofort absetzen und verhaften.
Vom französischen Militärgericht wurde dieser zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahr
verurteilt, von der er ein halbes Jahr verbüßen mußte. Ähnlich ging es dem Landwirtschaftsrat
in Haigerloch, der den Ertrag der Getreideernte eines größeren Gemeindebezirks abschätzen
sollte. Dabei »unterschätzte« er den Ertrag im wohlmeinenden Interesse für die einheimischen
Landwirte, um ihre Abgaben möglichst niedrig zu halten. Dies trug ihm den Verlust seiner
Stellung und eine längere Gefängnisstrafe ein.

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