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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0279
Der Landkreis Hechingen 1945-1955

Häufig wurde in der ersten Zeit nach der Besetzung von der Bevölkerung auch über
Willkürakte und Übergriffe der französischen Gendarmerie, und hier im besonderen von
Angehörigen der Surete, Klage geführt. In manchen Orten kam es zu unberechtigten
Verhaftungen, und in Einzelfällen wurden Festgenommene auch mißhandelt. Beschwerden
deutscher Stellen nützten in der Regel nicht viel. Als sich der erste Tübinger Regierungschef,
Staatsrat Professor Carlo Schmid, bei der französischen Militärregierung wegen solcher
Vorfälle beschwerte, bekam er die Antwort: Que voulez-vous, ce sont les gendarmes. In
Hechingen war nach den ersten turbulenten Besatzungswochen ein Elsässer Leiter der Surete.
Dieser war, wenn man ihn zu nehmen wußte, umgänglich und hat manchmal geholfen, wo man
es nicht oder jedenfalls so schnell nicht erwartet hätte. Wie auch anderwärts wurden in Stadt und
Kreis Hechingen in den ersten Wochen Personen, die wegen ihrer politischen Tätigkeit im
Dritten Reich belastet waren, von den Franzosen festgenommen und in das Hechinger
Gerichtsgefängnis eingeliefert. Vor allem frühere Parteifunktionäre, SS- und SA-Führer
mußten mit Verhaftungen rechnen. Die meisten von ihnen wurden nach wenigen Wochen
wieder aus der Haft entlassen. Die besonders Belasteten wurden in das berüchtigte Internie-
rungslager Balingen gebracht, in dem sie oft mehrere Jahre verbringen mußten. Daß sich diese
Verhaftungen und Einweisungen im Kreis Hechingen - im Gegensatz zu einigen anderen
Kreisen - in Grenzen hielten, war nicht zuletzt dem verhältnismäßig milden Regiment der
französischen Kreisgouverneure zu verdanken, deren korrekte Amtsführung von der Bevölkerung
allgemein anerkannt wurde. Über sie und ihre Tätigkeit in den ersten Jahren der Besatzung
wird anschließend zu berichten sein. Zuvor soll jedoch noch etwas über die Militärgerichte, die
kurz nach dem Einmarsch der Besatzung von der Militärregierung eingesetzt wurden, gesagt
werden.

Die Militärgerichtsbarkeit

Am 3. Juli 1945, mithin wenige Wochen nach dem Einmarsch der Besatzung, fand die erste
Sitzung des französischen Militärgerichts in Hechingen statt. Dieser folgten weitere Verhandlungen
im Abstand von etwa zwei bis drei Wochen. Bei diesen ersten Sitzungen wurden meist
nur kleinere Verstöße abgeurteilt, während die schwereren Delikte an das Militärgericht in
Tübingen abgegeben wurden. Bei den kleineren Verstößen handelte es sich z.B. um Übertretung
der Polizeistunde (verhängt meist Geldstrafen), um Nichtbesitz eines gültigen Personalausweises
(verhängt Gefängnis bis 6 Monate), um Versteckthalten von Munition (verhängt
1 Jahr Gefängnis), um Fluchthilfe für einen deutschen Kriegsgefangenen (verhängt 6 Wochen
Gefängnis und 400 Mark Geldstrafe), um Nichtanmeldung eines kleineren Warenlagers
(4 Monate Gefängnis und 400 Mark Geldstrafe). Bei schwereren Fällen, vor allem bei Waffenbesitz
(z.B. Jagdgewehren) wurden Gefängnisstrafen bis zu 5Jahren verhängt. Als Verteidiger
hatte man oft den Eindruck, daß bei der Strafzumessung manchmal Vorgänge eine Rolle
spielten, die mit der abzuurteilenden Straftat überhaupt nichts zu tun hatten. So wurde z.B.
dem Bisinger Bürgermeister in der Urteilsbegründung vorgehalten, daß sich in Bisingen
während des Krieges ein KZ-Ausländerlager befunden habe. Auch wurden oft Vorfälle unter
Anklage gestellt, deren Strafbarkeit die Beschuldigten nicht ahnen konnten. In Hechingen
wurde die Inhaberin eines Schreibwarengeschäfts zur Verantwortung gezogen, weil sie alte
Landkarten verkauft hatte, die nicht den Friedensverträgen von 1919/1921 entsprachen. Und
ein Kaufmann aus dem Killertal wurde verurteilt, weil er ein Vorderladergewehr mit Perlmutter
eingelegt, ein wahres Museumsstück, in Besitz hatte. Allerdings wurden die meisten Strafen fast
nie im vollen Umfang vollstreckt; die Verurteilten wurden nach Verbüßung eines Teils der
Strafe wieder freigelassen.

Ein weithin beachteter Vorfall aus dem Kreis Hechingen wurde Ende August 1946 vor dem
Tribunal Generale in Rastatt verhandelt. Unter Anklage standen zehn Personen, die als Täter
oder Anstifter für die Erschießung mehrerer Ausländer, die aus dem Arbeitslager in Bisingen

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