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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0280
Hans Speidel

entkommen waren, verantwortlich gemacht wurden. In den letzten Kriegsmonaten flohen
nämlich mehrmals Insassen des Lagers. Sie kamen aber meist nicht weit und wurden in
abgelegenen Scheunen oder anderen Verstecken wieder aufgefunden. Der für Hohenzollern
zuständige Polizeioffizier in Sigmaringen ordnete an, die Leute festzunehmen, aber nicht in das
Hechinger Gefängnis zu bringen, sondern unterwegs zu erschießen. Der ihm unterstellte
Hechinger Polizeileutnant, der den Befehl entgegennahm, bestimmte dazu Hilfspolizisten,
harmlose Männer aus verschiedenen Landgemeinden, die den Befehl auch ausführten. Sie
nahmen die Leute fest, gaben ihnen unterwegs zu verstehen, daß sie weglaufen sollten, und
erschossen sie dann - wie es damals hieß - »auf der Flucht«. Im gleichen Verfahren stand auch
der letzte hohenzollerische Regierungspräsident im Dritten Reich, ein früherer Arbeiter, der als
PG über das Amt des Polizeipräsidenten von Ulm Regierungspräsident in Sigmaringen
geworden war, unter Anklage. Der Sigmaringer Polizeioffizier, der den Befehl gegeben hatte,
war nicht mehr auffindbar. Die Verhandlung des Militärgerichts im Rastatter Schloß war
sachlich, ohne die sonst manchmal zu verzeichnenden Verunglimpfungen. Die Verteidigung
kam ausgiebig zu Wort. Die Urteile waren allerdings sehr hart: Für die Hilfspolizisten zehn bis
fünfzehn Jahre Gefängnis und für den Hechinger Polizeileutnant die Todesstrafe. Einige
Wochen später habe ich diesen in seiner Todeszelle im Gefängnis in Rheinbach/Eifel besucht.
Er machte einen hilflosen und kranken Eindruck. Es wurde ein Gnadengesuch für ihn
eingereicht, und das Urteil wurde nicht vollstreckt. Er starb aber nach einiger Zeit im
Gefängnis.

2. DIE ERSTEN BEIDEN HECHINGER KREISGOUVERNEURE:
OBERST BROCHU UND OBERST COURTOIS

In den ersten Nachkriegsjahren hatten die von der französischen Militärregierung eingesetzten
Kreisgouverneure weitgehende Befugnisse in ihrem Befehlsbereich. Von ihnen hing es ab,
ob die oft harten Anordnungen der Besatzungsbehörde tolerant und menschlich gehandhabt
wurden. Auch das Verhalten der ihnen unterstellten Besatzungsmitglieder gegenüber der
deutschen Bevölkerung wurde weitgehend durch sie beeinflußt. Es dürfte daher von Interesse
sein, einiges über die beiden ersten Hechinger Kreisgouverneure, die in den Jahren 1945 bis 1950
hier im Amt waren, zu berichten, wobei ich auch einige persönliche Begegnungen mit ihnen
einflechten möchte.

Oberst Brochu

Colonel Henri Brochu kam schon wenige Wochen nach dem Einmarsch der französischen
Truppen - dieser erfolgte am 22. April 1945 - als Kreisgouverneur nach Hechingen. Er stammte
aus der südfranzösischen Stadt Arles und war in seinem Auftreten und Gehabe ein echter
Südfranzose. Zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter, einem jungen etwas kränklichen
Mädchen, wohnte er zunächst im oberen Stock des Gebäudes der Hohenzollerischen Landesbahn
in der Hofgartenstraße 39. Im Erdgeschoß waren die Büros der Kommandantur untergebracht
. Später bezog er die »Villa Wolf« in der Zollerstraße, in der sich heute das Gesundheitsamt
befindet.

Die erste flüchtige Begegnung mit Colonel Brochu hatte ich am Pfingstdienstag 1945. Ich
war am ersten Pfingsttag nach einem fast vierzehntägigen Fußmarsch aus dem Ruhrkessel, in
dem ich zuletzt als Soldat eingesetzt war, in meinem Geburtsort Schlatt bei meiner Familie
angekommen. Wie alle heimgekehrten Soldaten mußte ich mich sofort bei der französischen
Kommandantur melden, was am Pfingstdienstag auch geschah. Mit mehreren ehemaligen
Soldaten stand ich im Flur der Kommandantur, als der Colonel aus einem Zimmer kam und mit
einem schweren, fast plump wirkenden Gang an uns vorbei schritt. Sein abweisender und

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