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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0289
Der Landkreis Hechingen 1945-1955

Selbstversorger an, um deren Eigenverbrauch besser unter Kontrolle zu bekommen. In
Ausführung dieser Anordnung wurden 19 von den 26 Mühlen im Kreis stillgelegt und
plombiert. In den restlichen 7 Mühlen sollten die Bauern ihr Getreide abliefern. Anstelle der
bisherigen Mahlkarte bekamen sie dann eine sogenannte »Umtauschkarte«, auf die sie die ihnen
zustehende Rationen in den neu gebildeten Umtauschstellen erhalten sollten. Diese Anordnung
erregte den Unwillen der Bauern, und es gab landauf, landab Proteste dagegen. Das Mahlverbot
wurde daher nach wenigen Monaten wieder aufgehoben. Als sich die Ernährungslage im
Frühsommer immer mehr zuspitzte, kürzte die Abt. Landwirtschaft und Ernährung die
Brotrationen für die Normalverbraucher um die Hälfte. Der Hechinger Kreisgouverneur
richtete einen Aufruf an die Selbstversorger, durch eine freiwillige zusätzliche Ablieferung von
Getreide zur Behebung der Brotkrise beizutragen. Wie schon an anderer Stelle erwähnt, fuhr er
mit dem Landrat in die Landgemeinden und wandte sich dort in öffentlichen Versammlungen
an die Bauern. Auch die örtlichen Stellen, die Bürgermeister, Ortsobmänner und sogar die
Pfarrer auf der Kanzel riefen die Bauern zu einer freiwilligen zusätzlichen Getreideablieferung
auf. Diese Aktion hatte in dem landwirtschaftlich schwachen Kreis Hechingen einen beachtlichen
Erfolg. Die Bauern lieferten nochmals 43 Tonnen Brotgetreide freiwillig ab. Eine leichte
Besserung der Versorgungslage trat nach der neuen Ernte ein, die zufriedenstellend ausfiel.
Aber die Lebensmittelversorgung war noch bis ins Jahr 1950 für viele schwierig, wenn die
zugeteilten Rationen, vor allem nach der Währungsreform im Juni 1948, auch allmählich
angehoben wurden.

Wie im Frühjahr und Sommer 1947 für die Brotversorgung, so entstand im Frühjahr 1948
für die Fleischversorgung der einheimischen Bevölkerung eine sehr ernste Situation. Infolge der
hohen Fleischlieferungen an die Besatzung war schlachtreifes Vieh nur noch in so geringer Zahl
vorhanden, daß sogar Milchkühe geschlachtet werden mußten, um den Normalverbrauchern
wenigstens noch etwas Fleisch zuteilen zu können. Die Fleischration mußte für einige Zeit auf
200 Gramm im Monat (!) herabgesetzt werden, während die Fleischration der Besatzungsangehörigen
225Gramm täglich (!) betrug. Nur den ernsthaften Vorstellungen der anderen
westlichen Besatzungsmächte ist es zu verdanken, daß diese überhöhten Fleischlieferungen an
die Franzosen bald aufhörten und damit die Versorgung im Lande wieder besser wurde.

Mit Sorge beobachtete die Verwaltung das Umsichgreifen eines schwarzen Marktes mit
Lebensmitteln. Dieser hätte, wenn er sich zu sehr ausgeweitet hätte, zum Zusammenbruch der
im Interesse der Allgemeinheit erlassenen Bewirtschaftungsmaßnahmen führen können. Manche
Bauern verkauften nämlich, was sie an landwirtschaftlichen Erzeugnissen erübrigten, zu
überhöhten Preisen, oder, was noch häufiger der Fall war, sie tauschten Lebensmittel gegen
Gebrauchsartikel, die auf normalem Wege nicht oder nur schwer zu bekommen waren. Knapp
und daher gesucht waren vor allem Kleider, Wäsche, Schuhe sowie Haushaltsgegenstände aller
Art. Oft waren die Bauern geradezu gezwungen, Lebensmittel als Gegenleistung anzubieten, so
z.B. wenn der Schmied das Beschlagen der Pferde oder der Wagner die Reparatur des Wagens
nur gegen Lebensmittel vornahm. Selbst Arzt und Anwalt waren im allgemeinen nicht
abgeneigt, ein paar Eier oder ein halbes Pfund Butter als »Zusatzhonorar« anzunehmen. Als
besonders schwerwiegender Verstoß gegen die Bewirtschaftung wurden die häufig vorkommenden
Schwarzschlachtungen angesehen. Gegen diese wurde mit empfindlichen Strafen, in
schweren Fällen sogar mit Gefängnis eingeschritten. Die meisten dieser Verstöße konnten aber
nicht geahndet werden, da sie nur in seltenen Fällen zur Kenntnis der Behörden kamen.

Industrie und Handwerk

Neben der Landwirtschaft traten in unserem ländlichen Raum die anderen Wirtschaftszweige
zunächst in den Hintergrund. Den meisten Fabrikbetrieben, vor allem auch der im Kreis
Hechingen verbreiteten Textilindustrie, fehlte es an Rohstoffen. Auch machte sich der
Kohlenmangel überall geltend. Im Juli und August 1945 konnten einige Betriebe ihre

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