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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0298
Hans Speidel

Die Spruchkammern

Bereits vor der Ernennung Trabers, am 25. April 1947, erließ das Staatssekretariat auf
Anordnung der Militärregierung eine Rechtsanordnung, nach der für die politische Säuberung
das Spruchkammerverfahren, wie es in der amerikanischen Zone bestand, auch in der
französischen Zone eingeführt wurde. Nach dieser entschied anstelle des Staatskommissars eine
in Ausübung ihres Amtes unabhängige Spruchkammer mit einem zum Richteramt befähigten
Vorsitzenden und Beisitzern aus Parteien, Gewerkschaften und Berufsvertretern. Diese sollte in
jedem Einzelfall darüber befinden, welche Sühnemaßnahme gegen den Belasteten zu verhängen
sei. Der Staatskommissar konnte im Verfahren Stellung nehmen und hatte den Betroffenen die
Entscheidung bekanntzugeben. Die Bildung solcher Spruchkammern stieß überall auf große
Schwierigkeiten und zog sich mehrere Monate hin. Nur wenige fanden sich, meist nur auf
Drängen, bereit, darin mitzuarbeiten. Erst am 28. November 1947 konnte Traber der Militärregierung
mitteilen, daß die Spruchkammern ihre Tätigkeit aufgenommen hätten. Zunächst
konnten nur drei Spruchkammern gebildet werden, von denen jede für mehrere Kreise
zuständig war. Der Kreis Hechingen gehörte zur II. Spruchkammer. Ihr Vorsitzender war der
Hechinger Staatsanwalt Dr. Braunger. Die Kreisuntersuchungsausschüsse blieben neben den
Spruchkammern weiter bestehen. Sie hatten jeden Einzelfall einer gründlichen Vorprüfung zu
unterziehen und der Spruchkammer einen begründeten Vorschlag sowohl für die Einstufung
des Belasteten sowie für die zu verhängende Sühnemaßnahme vorzulegen. Für die Einstufung
gab es 5 Gruppen: Hauptschuldige, Aktivisten, Minderbelastete, Mitläufer und Entlastete.
Neuer Vorsitzender des Hechinger Kreisuntersuchungsausschusses war Justizoberinspektor
a. D. Johann Kärcher, der früher beim OLG Frankfurt am Main tätig war und seinen Ruhestand
in Haigerloch verbrachte.

Die vom Staatskommissar und später von den Spruchkammern ergangenen Entscheidungen
wurden in den Beilagen zum Amtsblatt des Staatssekretariats laufend veröffentlicht. Dabei
wurden die Betroffenen nach Kreisen und Berufsgruppen getrennt mit Namen und der
verhängten Maßnahme aufgeführt. Während Entlassungen bei Beamten und Berufsverbote bei
freien Berufen äußerst selten waren, bildeten die Volksschullehrer hier eine Ausnahme. Von
etwa 120 überprüften Volksschullehrern aus dem Kreis Hechingen wurden 8 Lehrer und
2 Lehrerinnen ohne Bezüge entlassen. Allerdings wurden diese Maßnahmen wie auch die
anderen getroffenen Entscheidungen nach wenigen Jahren aufgehoben oder zumindest wesentlich
gemildert.

Das Baiinger Internierungslager

Im Jahre 1945 wurden etwa 3000 Nationalsozialisten aus Württemberg und Hohenzollern,
die als belastet galten, von den Franzosen in das im ehemaligen Baiinger Zementwerk
eingerichtete Internierungslager eingeliefert. Das Lager stand unter französischer Verwaltung,
und ein Kommandant, den die Insassen wegen seiner Ähnlichkeit mit einem früheren
italienischen Minister »Balbo« nannten, führte dort ein strenges Regiment. Die Wachmannschaft
bestand aus Polen. In der ersten Nachkriegszeit wurden die Internierten zu Aufräumungsarbeiten
herangezogen. Auch bei der Wiederherstellung zerstörter Brücken und beim
Straßenbau wurden sie eingesetzt. Einige der besonders belasteten Nationalsozialisten - die
meisten kamen aus einem Reutlinger Lager - mußten auch bei der Ausgrabung der über
1200 Toten, die in den letzten Kriegsmonaten in dem von den Nazis errichteten KZ-Lager in
Bisingen umgekommen und in einem Massengrab nahe dem Lager in menschenunwürdiger
Weise beigesetzt waren, mithelfen. Bei diesen Toten handelte es sich zum größten Teil um
Deportierte aus Osteuropa und aus dem Balkan, die in dem Bisinger Ölschieferwerk arbeiten
mußten und von denen die meisten an den Folgen schlechter Behandlung und an Hunger
starben. Auf Anordnung der französischen Militärregierung mußten ihre Leichen ausgegraben,

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