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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0321
Besprechungen

dequalifiziert wurde und an Bedeutung verlor (S.47ff.); wie die Meister versuchten, die Solidarität der
Arbeiter zu untergraben, die gemeinsam den Akkord »bremsten«, und wie diese Konflikte mit der
Objektivierung der Akkordfestsetzung abnahmen (S. 75ff., 157f.); oder wie es zu Auseinandersetzungen
zwischen Arbeitern im Akkordlohn und Arbeitern im Stundenlohn kam, weil die einen möglichst schnell,
die anderen eher langsam arbeiten wollten (S. 62).

Der zweite Teil stellt dann minutiös die Organisationsentwicklung der GF-Arbeiterschaft und deren
Verhältnis zur Geschäftsleitung dar. Hier zeigt sich die Stärke einer konkreten Fallstudie: Vetterli kann
neben den spektakulären und erfolgreichen Bewegungen auch zeigen, wie sich negative Lernprozesse
entwickeln, wie Resignation und Passivität als Ergebnis erfolgloser Bemühungen oder angesichts einer
aussichtslosen Machtkonstellation entstehen (S. 163 ff., 212ff.). In Schaffhausen entwickelte sich aus
anfangs sehr spontanen Bewegungen der Arbeiter einzelner Abteilungen der GF langsam eine durchorganisierte
und zentralisierte Gewerkschaftsorganisation, die zunehmend den Kontakt zur Arbeiterschaft verlor.
Die Gewerkschaft war phasenweise eher ein Versicherungs- und Dienstleistungsbetrieb als eine politische
Kampforganisation (S. 167ff., 184 ff.). Nach einer Radikalisierung der Arbeiterschaft im und kurz nach dem
Ersten Weltkrieg führten in den 20er Jahren Reibungen zwischen der mehrheitlich kommunistischen
Arbeiterschaft und der sozialdemokratischen Verbandzentrale zu einer Lähmung der Schaffhausener
Arbeiterbewegung (S. 190 ff.). Sehr plastisch schildert Vetterli die Entwicklung der Arbeiterkommission bei
der GF, ihre Möglichkeiten und Grenzen und die jeweilige Taktik der Geschäftsleitung: Zunächst verhielt
sich das Unternehmen ausgesprochen autoritär gegenüber den Arbeitnehmervertretern. Unliebsame
Funktionäre wurden schlicht entlassen. Später argumentierte die Geschäftsleitung mit Sachzwängen und
versuchte die Arbeiter auf einen »Wir sitzen alle in einem Boot«-Standpunkt einzuschwören (S. 174 ff.,
218ff.).

Die spezifische Fragestellung Vetteriis trägt ihre Früchte. So kann er z.B. zeigen, daß nicht nur - wie
bisher angenommen - die Qualifikation der Arbeiter für ihre Organisationsbereitschaft eine Rolle spielt,
sondern auch die Frage, ob die Arbeiter einer Berufskategorie räumlich zusammengefaßt sind. Während die
im Betrieb verstreut arbeitenden Arbeiter sich kaum organisierten, wurden die in Gruppen zusammenarbeitenden
Former, Gewindeschneider, Gußputzer und Schmirgler verschiedentlich sehr aktiv (230 f.).
Anzumerken wäre allerdings, daß sich Vetterli mit der Konzentration auf den Betrieb und das Betriebsleben
vielleicht zu sehr eingeschränkt hat. Er vernachläßigt dadurch wichtige Faktoren für das Arbeiterbewußtsein
. Die unterschiedlichen Lebensverhältnisse auf dem Land und in der Stadt, die Wohnsituation, der
Einfluß der Kirche, die Familie und Freizeit, die Arbeiterkulturorganisationen und die kommunalen Partei-
und Machtverhältnisse werden nur gestreift oder bleiben ganz außerhalb der Untersuchung. Dagegen
arbeitet Vetterli im Laufe der Studie den außerhalb der Fragestellung liegenden, aber sehr bedeutsamen
Einfluß der Gewerkschaftszentrale für das Geschehen in Schaffhausen heraus.

Hannes Siegrist untersucht im selben Unternehmen die Angestellten und die Entwicklung der
Firmenleitung, der Verwaltung und der technischen Organisation. Zu Beginn wird die Firmengeschichte im
19.Jahrhundert umrissen. Vier Generationen von Familienuntemehmern entwickelten jeweils neue
technische Verfahren, Produkte und Organisationsformen. Die Angestelltenschaft wuchs langsam und
spezialisierte sich zunehmend. Die innerbetrieblichen Beziehungen anonymierten und versachlichten sich.
Nachdem der Urenkel des eigentlichen Betriebsgründers 1896 aus Finanzierungsgründen das Familienunternehmen
in eine Aktiengesellschaft umgewandelt hatte, wurde er sehr schnell von den kapitalkräftigen
Bankenvertretern unter den Aktionären aus der Firmenleitung verdrängt. Die Managementexperten der
Banken reorganisierten den Betrieb nach neuesten kaufmännischen und managementtechnischen Gesichtspunkten
. Hier setzten sich die Banken, die nur an der Rentabilität ihrer Kapitaleinlagen und Kredite
interessiert waren, gegen den Alleinherrschaftsanspruch Georg Fischers durch, der eher als Techniker
dachte und handelte, und für den das betriebswirtschaftliche Kalkül im Hintergrund stand. Siegrist
interpretiert diesen Machtwechsel nicht als persönliches Versagen Fischers, sondern auf dem Hintergrund
der Sachnotwendigkeiten und der neuen Finanzierungsgrundlage des Betriebes. Dies ist nur ein Beispiel für
den Versuch Siegrists, im Gegensatz zur reinen Unternehmergeschichte oder der personalisierenden
Finnengeschichte eine Unternehmensgeschichte zu schreiben, die sich um einen weiteren Erklärungszusammenhang
bemüht.

Den Schwerpunkt des Buches bildet die Schilderung der Firmengeschichte von 1890-1930. Eingeleitet
durch die wichtigsten Daten der ökonomischen Entwicklung des Betriebs analysiert Siegrist in zwei
Zeitabschnitten jeweils zunächst die Struktur und die Machtverschiebungen in der Unternehmensspitze,
dann die Bemühungen um die Rationalisierung in Büros und Fabrik, die kaufmännischen und technischen
Angestellten vom Generaldirektor bis hin zum Magazinverwalter und schließlich das Bewußtsein und das
politische Denken der Angestellten.

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