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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0325
Besprechungen

orientierten sich an dem von Kurt Schumacher und seinem Hannoveraner Büro repräsentierten Kurs. Die
beiden Arbeiterparteien SPD und KPD arbeiteten in Mannheim - im Gegensatz zu anderen Städten - nicht
zusammen (S. 100,142 ff.). Deshalb konnten sie trotz ihrer Stärke der Mannheimer Kommunalpolitik kein
besonderes Profil verleihen. Die große Bedeutung der Industriearbeiterschaft in der Stadt zeigte sich auch in
der politischen Haltung von CDU und DVP (später FDP/DVP). So waren in der CDU bis zu einem
»Schwenk nach Rechts« im Jahr 1948 Ideen eines »christlichen Sozialismus« verbreitet (S. 123,127). Auch in
der DVP fanden sich Elemente einer sozialen Orientierung (S. 150). Im Gegensatz zu anderen Städten
gelang es der Mannheimer CDU, in ihrem Vorstand zunächst ein echtes Gleichgewicht zwischen
Katholiken und Protestanten herzustellen (S. 119). Die Position der Christdemokraten wurde weiter
dadurch gestärkt, daß sich auf Anraten von Theodor Heuss eine Gruppe früherer Liberaler ihrer Partei
anschloß (S. 120).

Mit der gründlichen Zusammenstellung der Wahldaten kann Irek zeigen, daß die Wahlbeteiligung in der
Arbeiterstadt zwischen 1946 und 1949 von einem zunächst überdurchschnittlichen auf ein unterdurchschnittliches
Niveau absank (S. 183). Diese interessante Entwicklung bleibt allerdings uninterpretiert. Auch
den Hinweis, daß Mannheim unter allen westdeutschen Städten die höchste Säuglingssterblichkeit aufwies
(S. 213 f.), beläßt er ohne Erklärungsversuch. Insgesamt wird die wirtschaftliche und soziale Entwicklung
nur knapp behandelt. Es geüngt dem Autor aber doch zu zeigen, daß auch in Mannheim der wirtschaftliche
Aufschwung bereits vor der Währungsreform einsetzte und zunächst vor allem zu Lasten des Lebensstandards
der abhängig Beschäftigten ging (S.216f.)

Irek liefert mit seiner Darstellung eine detaillierte Chronik der Mannheimer Nachkriegszeit. Er gibt
interessante Hinweise, betritt aber kein analytisches Neuland. So müssen beispielsweise folgende wichtige
Fragen offen bleiben:

- Warum blieb die Antifa-Bewegung in Mannheim so schwach?

- Wie erklären sich lokale Besonderheiten in der Parteienentwicklung (KPD-Hochburg, kaum Einheitsbestrebungen
zwischen SPD und KPD, Liberale in der CDU u.a.)?

- Wie kamen die Entscheidungen für die Zielrichtung und Form des wirtschaftlichen Wiederaufbaus, der
nach Irek an die Stelle einer echten Auseinandersetzung mit der Vergangenheit trat (S.223), zustande?

- Wie wurde über den architektonischen und kulturellen Wiederaufbau entschieden?
Diese Defizite haben vor allem drei Ursachen:

1. Der Autor berücksichtigt sozialgeschichtliche Fragestellungen nur am Rande. Da er sich von der
Mündlichen Geschichte als Forschungsmethode distanziert (S.20f.), kann er nicht zeigen, wie die
Menschen in Mannheim die dargestellten politischen Entwicklungen wahrnahmen und in ihrem Alltag
sowie in ihrem politischen und kulturellen Handeln verarbeiteten.

2. Die Vorgeschichte der Nachkriegszeit, also Mannheim im »3. Reich« und in der Weimarer Republik,
bleibt im Dunkeln.

3. Der Autor konnte die inzwischen verfilmt vorliegenden Akten der amerikanischen Militärregierung
offenbar noch nicht verwenden. Diese Akten hätten vielleicht helfen können, den »Urnebel, der über dem
Jahr 1945« (S.20) und auch über der Zeit danach liegt, etwas zu üchten.

Andererseits konnte Irek das vom Mannheimer Stadtarchiv zwar noch nicht ganz verzeichnete, aber mit
System und Bedacht gesammelte umfangreiche deutsche Material auswerten und durch Unterlagen anderer
Institutionen ergänzen. Als solider Chronist verarbeitete er dieses Material zu einer aufschlußreichen
Datensammlung. Dabei gelingt es ihm, den anscheinend recht eng auf die Person der damaligen
Oberbürgermeister bezogenen Forschungsauftrag des Mannheimer Gemeinderats, der diese Studie anregte
(S. 18), klug zu erweitern und so einen wichtigen Beitrag zur politischen Stadtgeschichte Mannheims zu
leisten. Die Nützlichkeit der Arbeit wird noch durch den Dokumentenband erhöht, der wichtige Quellen
für die weitere Forschung und für den Unterricht zugänglich macht. »Der teilweise deskriptive Charakter
der Niederschrift«, den der Autor selbst einräumt (S. 19), erklärt sich aus der Materialfülle und der Menge
der angeschnittenen Probleme, deren Bearbeitung die Möglichkeiten eines einzelnen Wissenschaftlers
übersteigt. Es ist deshalb mit dem Autor darauf zu hoffen, daß die mit der vorliegenden Arbeit »für künftige
Untersuchungen spezieller Teilbereiche der Geschichte Mannheims« ausgelegte »Fährte« (ebd.) bald
aufgenommen wird.

Darmstadt Alfred G. Frei

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