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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1985/0332
Neues Schrifttum

Vom Narren des Brauchtums zum literarischen Narren - diesen Wechsel der Perspektive vollzieht
Helmut Weidhase (»Konstanzer Literaturnarren. Die Bodenseestadt in der Schwankdichtung des Mittelalters
«). Mit vielen Zitaten, die vom erotischen Schwank des Mittelalters bis zu Schopenhauer und
Nietzsche reichen, geht er auf den Begriff des Narren im allgemeinen, dann auf Funktion und Bild des
Narren in der mittelalterlichen Dichtung im besonderen, schließlich auf »Konstanzer Literaturnarren« im
ganz besonderen ein. Warum spielt die Stadt am Bodensee eine besondere Rolle in Schwank und Facetie des
Mittelalters? Sie forderte als »Chiffre des offiziell Geltenden«, als »Name und Zeichen zugleich für
kirchliche Macht und stadtbürgerliche Regsamkeit, geistliche und weltliche Ordnung« (S. 68) die Narren
heraus. »In dem Maße jedoch, wie die Bedeutung von Konstanz im Spätmittelalter abnahm, nahm auch die
für gesetzte Ordnung stehende Zeichenhaftigkeit dieser Stadt ab. Der Schwank verläßt sie« (S. 76).

Den Bogen zur bildenden Kunst spannt Werner Mezger (»Ein Bildprogramm zur Narrenidee. Der
Ambraser Narrenteller von 1528«). Der Verfasser analysiert die Darstellung des Narrentums auf einem in
Schloß Ambras bei Innsbruck aufbewahrten und wahrscheinlich im oberrheinischen Raum entstandenen
Teller, wobei er wiederum - vieles deckt sich mit dem Artikel Mosers - auf den theologischen Hintergrund
eingeht und Parallelen zu den Motiven in Literatur und bildender Kunst aufdeckt.

Die beiden folgenden Beiträge gelten einem der Fastnacht entsprechenden jüdischen Fest und dem
närrischen Treiben in einem abgegrenzten Raum. Herbert Berner geht in seinem Aufsatz »Gailinger Purim
- jüdische Fastnacht im Hegau. Ein Beitrag zum jüdischen Gemeindeleben und zur Emanzipation der Juden
in Baden« eingehend auf den historischen Kontext ein. »Die Vorarlberger Fasnacht - ein geschichtlicher
Uberblick« heißt der im H.Jahrhundert einsetzende Artikel Karl-Heinz Burmeisters. In Vorarlberg bleibt
dann Klaus Beitl (»Fasnachtstradition und -brauchtum in Vorarlberg im Spiegel der neueren volkskundlichen
Forschung«), wenn er Einblicke in die Arbeit der Volkskundler gibt, die z.B. Erscheinungsformen der
Fastnacht kartographisch erfassen oder das zunehmende Eindringen des rheinischen Karnevals in das
österreichische Brauchtum untersuchen (Anstöße zu dieser Entwicklung gaben die Übertragungen von
»Mainz bleibt Mainz« im ORF).

Zum Schluß bespricht Utz Jeggle (»Spiel und Gesetz. Zum Regelwerk dörflicher Fasnacht«) Verhaltensweisen
und -normen, die in der Zeit vor Aschermittwoch in Dorfgemeinschaften zu beobachten sind, wobei
er auch den sich vollziehenden Wandel ländlicher Lebensformen berücksichtigt. So wird etwa gezeigt, daß
einem Spiel, bei dem es darum geht zu erraten, wer hinter welcher Verkleidung steckt (»Maschkere goa«),
Gesetze unterliegen, die etwas mit dem Prestige und der sozialen Rolle der Beteiligten im Dorfverband zu
tun haben.

Alle Beiträge sind von hohem wissenschaftlichen Niveau und trotz aller Belege und Anmerkungen
anregend geschrieben. Hervorragend auch die Illustration, die die Auswahl durch den Sachkenner stets
erkennen läßt. Kurzum ein Buch, das an keiner Stelle langweilt. Es geht zurück auf eine Vortragsreihe an der
Universität Konstanz in den Jahren 1982 und 1983, für die man offensichtlich seinerzeit mit besonders
glücklicher Hand Referenten gewonnen hat. Ist es ein bewußter Narrenstreich des Herausgebers Horst
Sund, daß er uns über den Namen hinaus jede Information zu den einzelnen Verfassern vorenthalten hat?
Nicht jedem Leser dürften sie bekannt sein. Und sicherlich hätte mancher gerne gewußt, was das für Leute
sind, die sich mit solcher Akribie dem Närrischen widmen.

Sigmaringen Robert Kretzschmar

Abschied von der Dorfidylle?: ein Lesebuch vom Leben und Arbeiten im deutschen Südwesten in den
letzten 200 Jahren; eine Auslese aus der Vortragsreihe der Südfunkredaktion »Land und Leute«. Hrsg.
von Martin Blümcke. Stuttgart: Theiss 1982. 319S.

Seit über zehn Jahren strahlt der Süddeutsche Rundfunk wöchentlich in seiner Reihe »Land und Leute«
Vorträge zur Landes- und Volkskunde Baden-Württembergs aus, in denen Wissenschaftler in allgemeinverständlicher
Sprache über ein Thema aus ihrem Fachgebiet referieren. Aus den über 500 Vorträgen
präsentiert Martin Blümcke, der Leiter der Redaktion, unter dem Titel »Abschied von der Dorfidylle?« eine
Auswahl von 36 Beiträgen, die sich vornehmlich auf die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der letzten 200
Jahre in Südwestdeutschland konzentrieren.

Die Themenpalette reicht dabei - um nur einige der Beiträge anzuführen - von der Weingärtnerkultur in
Württemberg (Martin Scharfe), der Rolle der Bauern in der 48er Revolution (Günther Franz), den
Lebensbedingungen von Knechten und Mägden vor 100 Jahren (Martin Scharfe) über die Zusammenhänge
von Pietismus und Industrie (Otto Borst) und Judendörfer in Württemberg (Utz Jeggle) bis hin zur wenig

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