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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1987/0017
Gesetzgebung in der waldburgischen Grafschaft Friedberg-Scheer

Der im Vorwon zu den Statuten Wilhelms d. Ä. klar zum Ausdruck gebrachte Anspruch
des Truchsessen, im Rahmen des überterritorialen Rechts27 bisher ungeregelten Daseinsbereichen
seiner Untertanen »auf Landesebene« eine Ordnung zu geben und dadurch der Wohlfahrt
der beherrschten armen leute2g zu dienen und Frieden und Eintracht zu schaffen,
entsprach voll und ganz den Zielsetzungen und dem Bewußtseinsstand der friihneuzeitlichen
Landesherren, die auf dem Wege der Rechtsvereinheitlichung und mittels einer neuartigen
polizeirechtlichen Gesetzgebung ihre Territorien festigen wollten und sich für das Wohl ihres
entstehenden Untertanenverbandes verantwortlich fühlten29. In den knappen Worten der
Vorrede ist das Programm der »guten Polizei«30, auch wenn der Begriff selbst noch nicht fällt,
schon im Ansatz greifbar.

Gleichwohl gibt der Vorspann uns einen Hinweis, daß der Landesherr das Gesetzeswerk
nicht ohne Beteiligung der Untertanen dekretiert hatte: mit wissen, willen, in beysin, auch mit
rath und hilff von allen gerichten seiner gnaden herrschafft dartzu verordnet sei es entstanden
- ein Passus, der nicht als bloße Floskel vernachlässigt werden darf31.

Bemerkenswert ist am Vorwort das Fehlen zweier Elemente, die man bei Kenntnis
entsprechender Texte erwartet. Zum einen ist der übliche Änderungsvorbehalt des frühneuzeitlichen
Gesetzgebers32 weggelassen, der in den Statuten des Sonnenbergers noch formuliert
ist33 und auf den auch Wilhelm in einer Mühlenordnung aus dem Jahre 1516 nicht verzichtet
hat34. War das landesherrliche Recht auf Novellierung bei Landesordnungen so selbstverständlich
, daß es stillschweigend vorausgesetzt werden konnte? Oder war das Gewicht der
beteiligten Gerichte bei der Entstehung der Statuten so stark gewesen, daß der Territorialherr
den Anspruch auf einseitige Gesetzesänderungen nicht hatte durchsetzen können? Die
Tatsache, daß der Änderungsvorbehalt bewußt aus der Vorlage von 1510 gestrichen worden
sein muß, gibt dem zweiten Erklärungsmodell die größere Wahrscheinlichkeit. Bei dem
anderen Textelement, das auffälligerweise fehlt, handelt es sich um die in solchen landesherrlichen
Ordnungen häufig anzutreffende Verfügung zum Modus, mit dem der Gesetzestext den
Untertanen verkündet werden sollte35. Die schriftliche Verbreitung und die Art der mündlichen
Publikation - ob etwa alle Ammänner ein Exemplar erhalten sollten36 oder ob die Artikel

27 Vgl. die Formulierung Ordnung oder gesetzt gemainen rechten gemäß.

28 Zum Begriff vgl. Peter Blickle, Untertanen in der Frühneuzeit. Zur Rekonstruktion der politischen
Kultur und der sozialen Wirklichkeit Deutschlands im 17. Jahrhundert. In: Vierteljahrschrift für Sozial-
und Wirtschaftsgeschichte (VSWG) 70 (1983) S. 483-522.

29 Einschlägige Literatur bei Gustav Klemens Schmelzeisen, Polizeiordnungen. In: Handwörterbuch
zur deutschen Rechtsgeschichte (HRG)3 (1984) Sp. 1803ff.; vgl. auch die in Anm.21 genannte Literatur.

30 Zum Begriff Hans Maier, Polizei. In: HRG3 (1984) Sp. 1800ff.

31 Zur Problematik der Partizipation der Untertanen bei der territorialen Gesetzgebung vgl. Peter
Blickle, Landschaften im Alten Reich. Die staatliche Funktion des gemeinen Mannes in Oberdeutschland
. München 1973, S.522f.

32 Zum Novellierungsanspruch vgl. auch Maurer (wie Anm.21) S. 176 sowie jetzt Hans Schlosser,
Rechtsetzung und Gesetzgebungsverständnis im Territorialstaat Bayern im 16.Jahrhundert. In: Zeitschrift
für bayerische Landesgeschichte 50 (1987) S. 41-61.

33 Und uff sollichß alleß, so haben wir unß, unßem erben und nachkomen in sonderhait vorbehalten, dise
unsere Statuten, Satzungen und Ordnungen hinfur über kurtz oder lang zu mindern, zu meren, zu andern,
zu bessern oder abzutun nach gelegenhait unser und unser armen lut nutz und notturfft [...]. (wie
Anm. 16).

34 Robert Kretzschmar, Müller und Bauern im Konflikt. Eine herrschaftliche Mühlenordnung für die
Mühle zu Beizkofen aus dem Jahre 1516. In: Hohenzollerische Heimat 36 (1986) S. 27-30 und 38-41. Zum
Änderungsvorbehalt vgl. die Edition ebd. S. 40. Auch in der Blochinger Viehordnung Wilhelms d.Ä. von
1544 tritt der Änderungsvorbehält auf.

35 Vgl. z.B. Maurer (wie Anm.21) S. 178.

36 Zum Ammann als Verwaltungsorgan in der Grafschaft Friedberg-Scheer vgl. Kretzschmar, Vom
Obervogt (wie Anm. 1) S.200f. - Die Abgabe von geschriebenen Exemplaren der Statuten ließe Rückschlüsse
auf den Bildungsstand der Ammänner zu.

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