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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1987/0019
Gesetzgebung in der waldburgischen Grafschaft Friedberg-Scheer

bei Notständen aktiv werden mußte und zur Weitergabe höchster Befehle herangezogen
wurde, entsprach den klassischen Pflichten seines Amtes. Interessant, daß die Verpflichtung,
ihm Folge zu leisten, eingeschränkt ist: doch in zimblichen biüichen sacken. Der Passus fehlt in
den Statuten von 1510 und in der intermediären Fassung. War er auf Drängen der beteiligten
Gerichte ergänzt worden, die die armen leute vor unsinnigen Befehlen und möglicher lokaler
Willkür schützen wollten?

Die Verpflichtung zum Zulaufen bei Notlagen war zur Entstehungszeit der Statuten nichts
Neues: In einer Urkunde vom 4. April 1467 wird Cunradt Ziegler d.J., als Graf Eberhard von
Sonnenberg, Truchseß von Waldburg, ihm ein Ziegelhaus zu Scheer leiht, dazu verpflichtet,
beim Läuten der Sturmglocke und allgemeinen Zusammenlaufen dazuzulaufen wie jeder
andere Scheerer Bürger auch43. Im Eingangsartikel der Statuten ist eine ältere Rechtsgewohnheit
festgeschrieben, die sicherlich nicht nur in der Stadt Scheer Geltung hatte.

Friedbieten

Der erste längere und thematisch geschlossene Block der Statuten44 beschäftigt sich mit der
Friedenswahrung; sein Thema ist die Verhütung und Eindämmung von Gewalt, die Wiederherstellung
des Friedens bei tätlichen oder auch nur verbalen Auseinandersetzungen zwischen
Untertanen oder Fremden, auch die Zuständigkeit für die Beilegung solcher Konflikte.
Erstrebt wird deren Verrechtlichung, was besonders deutlich in der Formel des »Friedbietens«
(Ich gebüt euchfryd beym aidfür euch und menigklich von ewer wegen, der sach halben gegen
ain andern nichtz fürzunemen, dann mit recht)*5 zum Ausdruck kommt. In der Verpflichtung
der Untertanen, bei Gewalttätigkeiten zuzulaufen, um diesen Friedenseid abzunehmen, liegt
die Verbindung zur ersten Bestimmung der Statuten. Das Friedbieten ist Teil der Beistandspflicht
, es ist ebenso eine Abwehrmaßnahme gegen Gefahren wie das Zulaufen beim Läuten
der Sturmglocke. Und so wie man beim allgemeinen Notstand dem Ammann Gehorsam
schuldet, so tritt derselbe auch beim Friedbieten als lokaler Repräsentant der Herrschaft auf.
Ihm sind Gewalttätigkeiten anzuzeigen, er ist dafür verantwortlich, daß die ihm gemeldeten
Konflikte rechtlich ausgetragen werden und nicht etwa in Formen der Selbsthilfe. Beim
Friedbieten dürfen von den Untertanen keine offenen Waffen gezogen werden, das Gewaltmonopol
liegt beim Staat. Wird jedoch tätlicher Widerstand geleistet, darf von den Umstehenden
auf den Delinquenten eingeschlagen werden46.

Die Detailliertheit dieser Bestimmungen, aber auch ihre Plazierung gleich zu Beginn der
Statuten läßt darauf schließen, daß hier ein Bereich geregelt ist, der der Herrschaft besonders
wichtig war. In die dörfliche Gesellschaft der Grafschaft47, in der - die erhaltenen Audienzprotokolle
zeigen dies sehr anschaulich48 - Konflikte oft mit der Faust ausgetragen wurden,
wollten die Truchsessen Verfahrensweisen einführen, die für Auseinandersetzungen polizeiliche
und rechtliche Zuständigkeiten vorsahen und Formen der Selbsthilfe ausschlössen.
Hierfür rekurrierten sie auf die in Oberschwaben verbreitete Rechtsgewohnheit des Friedbietens
, auf ein Befriedungsverfahren, das in zahlreichen Rechtstexten der Frühneuzeit detailliert
beschrieben ist49.

43 StAS Dep.30 Friedberg-Scheer U. 101.

44 Statuten 2 bis 10.

45 Statut 2.

46 Statut 10.

47 Sie umfaßte außer der Stadt Scheer nur Dörfer, Weiler und Höfe; zur räumlichen Zusammensetzung
des Territoriums vgl. Kretzschmar, Vom Obervogt (wie Anm. 1) S. 189 ff.

48 StAS Dep. 30 Friedberg-Scheer Rep. I F. 4 Nr. 1-134 und Rep. VIII F. 1 Nr. 41-89.

49 Einzelheiten bei Peter Buckle, Die staatliche Funktion der Gemeinde - Die politische Funktion des
Bauern. Bemerkungen aufgrund von oberdeutschen Ländlichen Rechtsquellen. In: Ders. (Hg.), Deutsche
Ländliche Rechtsquellen: Probleme und Wege der Weistumsforschung (Stuttgart 1977) S. 209ff. - Zum

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