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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1987/0020
Robert Kretzschmar

Gewalttätigkeit und Beleidigung

Dem gesetzgeberischen Ziel, den Frieden in der Grafschaft zu wahren und zu sichern,
entsprach es, Bußen für tätliche und verbale Angriffe festzusetzen50. Der Strafgeldkatalog ist
minuziös aufgegliedert und vermittelt, etwa in der Differenzierung verschiedener Arten von
Gewalttätigkeiten, ein Bild von den Handgreiflichkeiten, wie sie in Friedberg-Scheerer
Dörfern vielleicht nicht gerade an der Tagesordnung waren, aber doch relativ häufig vorgekommen
sein müssen. Wenn etwa im einzelnen zwischen Attacken durch Steinwürfe und
solchen durch das Schlagen mit trockenen Ästen unterschieden wird, so kann dies seine
Ursache nicht nur im mangelnden Abstraktionsvermögen des Gesetzgebers haben, sondern
muß aufgrund der realen Verhältnisse ein Bedürfnis nach solcher Differenzierung in der
Gesetzgebung bestanden haben51.

Bemerkenswert ist, daß im fraglichen Abschnitt die Verbalinjurie als auf einer Stufe
stehend mit Formen körperlicher Gewalt behandelt wird52. Daß Beleidigungsdelikte in
polizeilichen Bestimmungen der Frühneuzeit auffallend stark berücksichtigt sind, darauf hat
schon Adolf Thumm in seiner Arbeit über hohenlohische Dorfordnungen hingewiesen und
daraus auf eine größere Sensibilität des frühneuzeitlichen Menschen für ehrenverletzende
Äußerungen geschlossen53. Ein zumindest gleichgewichtiger Grund für die harte Bestrafung
der üblen Nachrede und beleidigender Äußerungen dürfte aber auch darin zu suchen sein, daß
tätliche Auseinandersetzungen damit oft ihren Anfang nahmen.

Eventuelle Anschuldigungen gegen Friedberg-Scheerer Untertanen dürfen daher auch
nicht als Gerücht in Umlauf gesetzt werden, sondern sind beim herrschaftlichen Amtsträger
vorzubringen: Ob aber ainer uff ainen etwas args wyste, der mag das ainem amptman
antzaigen54. Immerhin: Die Anzeige wird nicht wie anderswo zur Pflicht gemacht, ihre
Unterlassung nicht unter Strafe gestellt55.

Leibeigenschaft

In der Abfolge der Statuten schließen sich den Bestimmungen zum Friedbieten als zweiter
längerer (und damit dem Gesetzgeber offensichtlich besonders am Herzen gelegener) thematischer
Block einschlägige Artikel zur Leibeigenschaft an56. Der territorialpolitische Zweck
dieser Gesetzgebung ist eindeutig: Es ging der Herrschaft darum, den truchsessischen Bestand
an Leibeigenen in der Grafschaft, deren Bevölkerung ja keineswegs einheitlich an die
Landesherren als Leibherren gebunden war, sondern in unbekannter Zusammensetzung
waldburgische Leibeigene, solche fremder Herren und Freie umfaßte, zu sichern57. So wird
den Leibeigenen die Entfremdung, die Annahme fremden Schutzes, streng untersagt58. Eltern
von Kindern, die hiergegen verstoßen haben oder ungenoßsame Ehen eingegangen sind,
dürfen ihren Nachkommen keine finanzielle Unterstützung gewähren59, eine Bestimmung,

gelobten Frieden allgemein vgl. E.Kaufmann, Friede. In: Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte
(HRG) 1 (1971) Sp. 1288 f.

50 Statuten 24 ff.

51 Statuten 29 und 31. - Zur alltäglichen Präsenz von Gewalt in der dörflichen Gesellschaft vgl. die
Anmerkungen bei Casimir Bumiller, Die Junginger Audienzprotokolle von 1751-1775. Strukturen,
Szenen und Personen aus dem dörflichen Alltag im 18. Jahrhundert. In: ZHG 15 (1979) S. 128f.

52 Statuten 24 und 26.

53 Adolf Thumm, Die bäuerlichen und dörflichen Rechtsverhältnisse des Fürstentums Hohenlohe im
17. und 18. Jahrhundert (Forschungen aus Württembergisch Franken 6), Benningen 1971, S.242.

54 Statut 26.

55 Anders die überarbeiteten Statuten von 1560.

56 Statuten 11 bis 21.

57 Vgl. hierzu auch Kretzschmar, Leibeigenschaft (wie Anm. 7).

58 Statut 11.

59 Statut 12.

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