Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1987/0025
Gesetzgebung in der waldburgischen Grafschaft Friedberg-Scheer

lediglich in einem einzigen Artikel behandelt ist und zudem auch nur als Aspekt des vom
Gesetzgeber so stark berücksichtigten Dienstrechts: Außerehelicher Verkehr wird nicht
allgemein geahndet, eine Strafe wird nur für den Fall festgesetzt, daß ein Herr eine bei ihm in
Diensten stehende Tochter eines bidermanns verführt103. Die Bestimmung hat den Schutz
Abhängiger im Visier und nicht eine allgemeine Korrektur des Sexualverhaltens. Sie richtet
sich gegen ein Szenario, das offensichtlich immer wieder zu Konflikten unter den Untertanen
geführt haben muß, nicht gegen die außereheliche Beziehung schlechthin.

Bemerkenswert ist auch, daß die einschlägigen Vorschriften zur Einschränkung des
Weinkonsums für die Bewirtung von Gästen und geselliges Beisammensein großzügige
Ausnahmen vorsehen104. Doch nicht nur damit hat der Gesetzgeber kommunikativen Bedürfnissen
seiner Untertanen Rechnung getragen, sondern auch mit jenen Artikeln, die das zum
Hecht ganws betreffen und einen Einblick in das dörfliche Freizeitverhalten zu Beginn des
16. Jahrhunderts geben: Man traf sich in privaten »Lichtstuben« zum geselligen Beisammensein
, nicht zuletzt um daheim teures Licht zu sparen. Grundsätzlich erlauben die Statuten
diese Intitution (später sollte sie verboten werden1053), doch wird der zulässige Besuch der
Lichtstube für die Jugendlichen auf zwei Abende in der Woche beschränkt, den Knaben der
Gang dahin gar vollends untersagt, wobei man wohl im Auge hatte, daß es in den Lichtstuben
und beim Heimweg immer wieder zu starkem Alkoholkonsum, lärmendem Verhalten und
Ausschweifungen gekommen war. Ausdrücklich schreiben die Statuten vor, das Licht ohne
unfür oder geschray zu besuchen.

Gerichtliches

Zu einem letzten Themenkomplex lassen sich einige gerichtliche Bestimmungen zusammenfügen
, die als Ergänzung zu den wohl älteren Friedberg-Scheerer Gerichts- und Appellationsordnungen
- diese sind gemeinsam mit den Statuten überliefert106 - in die Landesordnung
aufgenommen worden sind. Sie betreffen u.a. die Schmähung vor gebanntem Gericht,
die Pflicht, gerichtlichen Ladungen und Verfügungen Folge zu leisten, die Zuständigkeit des
Dorfgerichts und die Urteilsschelte107.

Gesamtwürdigung: Gesetzgebung ausschließlich im Interesse des Territorialherren?

Bei aller Themenbreite und Fülle an detaillierten Bestimmungen sind doch die zentralen
Anliegen der Landesherrschaft, die sowohl bei Andreas von Sonnenberg als auch bei Wilhelm
d.Ä. mit der Publikation der Statuten verbunden gewesen sein müssen, klar zu erkennen: Es
dürfte den Truchsessen in erster Linie darum gegangen sein, ein Verfahren zur Beilegung von
Konflikten einzuführen, das die unkontrollierte Selbsthilfe ausschloß und in herrschaftliche
Verwaltungsstrukturen eingebunden war. Neben diesen Bemühungen um eine gesetzliche

103 Statut 46.

104 Statuten 65 und 66.

105 Statuten 75 und 76. Zum Begriff vgl. die Ausführungen bei Elmar Blessing, Mühlheim an der
Donau. Geschichte und Geschichten einer Stadt. Sigmaringen 1985. S.456. Grundlegend: Hans Medick,
Spinnstuben auf dem Dorf. In: Sozialgeschichte der Freizeit, hrsg. v. Gerhard Huck. Wuppertal 1980.
S. 19-49.

105a 1626 verfügt Reichserbtruchseß Wilhelm Heinrich, daß hinfuro in unsern graff- und herschafften
alle kunckhel-, liechtstuben und dergleichen zusamenkhunfften von weih- und manspersonen, jung und
alten, gentzlichen verbotten und abgeschafft sein sollen, da es sonderlichen in den Hecht- und kunckhelstu-
ben, so bey tag und nacht gehalten, und darinnen allerlay untzucht, ehebrüch, auch wol gar blutschanden
und der anfang und anschlag zu dem laidigen hexenwerkh gemacht, inmassen vilfältig, ja fast täglich
geclaget würdt, verüebt und begangen werden (StAS Dep. 30. Rep. II K. IV F. 1 Nr. 2/3). Auch in
Mühlheim wurden die Lichtstuben um 1600 verboten; vgl. Blessing (wie vorige Anm.).

106 Vgl. unten im Anhang die Texte 2 und 3.

107 Statuten 51, 59, 60, 80 und 82.

23


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1987/0025