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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1987/0031
Gesetzgebung in der waldburgischen Grafschaft Friedberg-Scheer

hatte man die nunmehr um zahlreiche Artikel vermehrten Statuten Wilhelms d.Ä. nach
Sachbetreffen gegliedert und mit Rubriken versehen. Ergänzung und Strukturierung, so läßt
sich die Genese der überarbeiteten Statuten von 1560 zusammenfassen.

Erledigt hatte man diese Bearbeitungsgänge in der Scheerer Kanzlei. An keiner Stelle findet
sich im Vor- oder Nachwort zu dem Gesetzestext ein Hinweis, daß, wie bei den früheren
Statuten, die Bevölkerung der Grafschaft in irgendeiner Weise an der Aktualisierung beteiligt
gewesen war, daß man wiederum den Rat der Dorfgerichte eingeholt hatte. Die überarbeitete
Landesordnung Wilhelms d.J. war nicht aus Beratungen hervorgegangen, sondern ausschließlich
in der herrschaftlichen Sphäre der Beamten und Räte konzipiert und vom Landesherrn
dekretiert worden135.

Dementsprechend ist auch kaum zu erwarten, daß sie in ihrer Tendenz Interessen der
beherrschten Bevölkerung berücksichtigte. Welche Ziele hatte man bei der Bearbeitung
verfolgt? Wo liegen neue und andere Akzente gegenüber den älteren Statuten?

Zunächst fällt auf, daß die Landesordnung Wilhelms d.J. - wie beim andersgläubigen (!)
Nachbarn Württemberg - mit einem Verbot des Gotteslästerns einsetzt, während sich ein
entsprechender Abschnitt in der älteren Fassung an völlig unexponierter Stelle findet136. Neu
ist auch, daß man nun die Untertanen verpflichtet, jede Gotteslästerung anzuzeigen, und für
die Unterlassung strenge Strafen vorsieht. In der Lokalisierung des Themas »Gotteslästerung«
gleich zu Beginn der neuen Statuten und in der inhaltlichen Verschärfung macht sich nicht nur
die gegenüber 1512 im Deutschen Reich gesteigerte Bedeutung des Religiösen bemerkbar,
sondern auch ein in der Zwischenzeit verstärktes landesherrliches Engagement bei der
Sozialdisziplinierung. Im Zeitalter der Glaubensgegensätze waren die Sitten strenger, war ihre
Überwachung schärfer geworden.

Der neue Zeitgeist, der an Toleranz verloren hatte, kommt auch darin zum Ausdruck, das
nun in einen eigenem Abschnitt mit der Überschrift Vom ehebruch, leichtverttiger beywonung
und hurerey der öffentliche (!) Ehebruch und außereheliche Verbindungen wie folgt unter
Strafe gestellt werden:

Wann sich aber begebe, das ein einwoner unser herrschafft ain unzimblich Zugang hette,
dieselbigen beschraidt und khundtpar gemacht und also damit andern leuten ergernus gebe, die
soll zuvor durch unser amptleut beschickht, von ierem laster abzusteen, gewarnet werden, who
aber die wharnung nichtz verfahen mächte, sonder dieselbig ergerlich erfunden wurde, soll
man sollche unser herrschafft verweisen.

Demnach zue Zeiten personen ehelichen Stands und auch ausserhalb von gott auffgesetzter
ehe mit andern leichtfertigen personen in öffentlichem ehebruch oder sonst in unlauterkhaidt
wider die gebott gottes sitzen und beyainander wonen, so gebieten wir hiemit ernstlich, das
sollche öffentliche ehebruch und andere unzimbliche beywonungen mitnichten gestattet,
sonder von unsern ober- und undervögten und amptleuten an leib, guet und gellt nach gestallt
und gelegenhait der personen ernstlich gestrafft werden137.

Von geringer Bedeutung ist dagegen nach wie vor die Behandlung des übermäßigen Luxus
(hierüber wurde im 16. Jahrhundert in den reichen Städten oft eine minuziöse Gesetzgebung
erlassen138). War dieser Bereich 1512 noch völlig unberücksichtigt geblieben, so hat man 1560
doch zumindest im Rahmen der Auftragsgesetzgebung des Reiches den Aufwand bei Hoch-

135 Folglich konnte der Landesherr sich auch diesmal das Recht auf Novellierung reservieren.

136 Statut 44. - Zum Gotteslästerungsdelikt in Polizeiordnungen der Frühneuzeit vgl. Lieberich (wie
Anm.102) S.350.

137 Hierauf folgt unverändert Statut 46 der Landesordnung von 1512. - Zur zunehmenden Reglementierung
des Sexualverhaltens im 16. Jahrhundert, die schließlich die Bestrafung des außerehelichen Verkehrs
brachte (die Entwicklung in Friedberg-Scheer entsprach allgemeinen Tendenzen), vgl. Lieberich (wie
Anm. 102) S. 352 ff. Zur Bedeutung des Offentlichkeitscharakters un- und außerehelicher Kontakte für die
Straffälligkeit in der Reichspolizeigesetzgebung vgl. Segall (wie Anm. 102) S. 157ff.

138 Lieberich (wie Anm. 102) S. 362ff.

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