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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1987/0081
Die Museumsgesellschaft und der Bürgerverein in Sigmaringen

die Polizeistunde auf 11 Uhr wie im Bürgermuseum einzuführen194. Doch damit war die
Landesregierung nicht einverstanden, zumal in ihr selbst Museumsmitglieder saßen185, und
verfügte, die früher besonders angeordnete Polizeistunde aufzuheben196. Damit erreichte der
Bürgerverein eine Gleichstellung mit dem Museum.

Ein erhellendes Licht auf die Vorgänge innerhalb des Vereins wirft folgender, aktenkundig
gewordener Vorfall: Im Bürgerverein entstand 1849 ein Rechtsstreit über die Auslegung der
Statuten187. Nach den Wahlen zum Ausschuß am 4.11.1848 lehnten der gewählte Vorstand,
sein Stellvertreter und der Kassier die Wahl ab. In einer Vollversammlung wurde daraufhin
beschlossen, den ganzen Ausschuß neu zu wählen. Dagegen erhoben einige Mitglieder
Einspruch, weil sie meinten, daß nur eine Ergänzungswahl stattfinden dürfte, und wandten sich
mit ihrer Beschwerde an das Oberamt. Das Oberamt nahm die Klage an und setzte die
mündliche Verhandlung auf den 2. März 1849 fest188. Diese Einmischung von Seiten des
Oberamts ließen sich die übrigen Mitglieder des Bürgervereins nicht gefallen und sandten eine
scharf formulierte Stellungnahme an das Oberamt: Der vorliegende Fall sei gesellschaftlicher
Natur, und die Auslegung der umstrittenen Paragraphen sei statutengemäß durch Stimmenmehrheit
entschieden worden. Die Plenarversammlung habe deshalb beschlossen, daß das
fürstliche Oberamt in dieser Interpretationssache nicht die kompetente Stelle sei, sondern wie
geschehen die Gesellschaft selbst. Die Beschwerdeführer sollten deshalb vom Oberamt zurückgewiesen
werden, widrigenfalls wir höheren Ortes gegen fürstliches Oberamt wegen Einmischung
in Gesellschaftsangelegenheiten Beschwerde führen müssen199. Am 2. März 1849 wurde
dennoch die festgesetzte Verhandlung durchgeführt. Die Vorstände des Bürgermuseums waren
erst gar nicht erschienen. Das Oberamt schloß sich der Argumentation der Plenarversammlung
an und entschied: Eine besondere exceptionelle Bestimmung in den Statuten, daß entstehende
Streitigkeit auf eine andere als in gewöhnlicher Weise entschieden werden soll, kommt nicht vor.
Eine statutengemäße und gültige Interpretation oder Abänderung der Statuten liegt nicht vor,
da die erforderliche Anzahl von Mitgliedern nicht erschien und dieser Gegenstand nicht auf die
Tagesordnung gesetzt war190. Die Kläger wurden abgewiesen.

Der gesamte Vorgang legt in mehrfacher Hinsicht Zeugnis ab. Zunächst verdeutlicht er, wie
die Meinungsbildung innerhalb des Vereins vor sich ging und wie demokratische Entschei-
dungsprozesse erlernt werden mußten. Hierbei bildete der Verein ein gutes Übungsfeld.
Weiterhin besteht ein großer Unterschied zwischen dem Verhältnis des Bürgervereins zum
Oberamt, wie es 1835 bestand, als die Statuten genau kontrolliert wurden, und demjenigen des
Jahres 1849. Die Bürger lernten sich gegen die Obrigkeit durchzusetzen, Forderungen zu stellen
und ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Das wachsende bürgerliche Selbstbewußtsein läßt
sich so am Beispiel des Bürgervereins deutlich verfolgen. Schließlich ist noch das Revolutionsjahr
1848/49 in die Betrachtung miteinzubeziehen. Die politischen Erfahrungen, die die Bürger
in diesem Jahr machen konnten, wirkten sich auf ihr Selbstverständnis und ihr Verhalten
gegenüber der Obrigkeit aus. Genauso wichtig ist aber auch die Beobachtung, daß es innerhalb
des Bürgervereins zu Spannungen kam. Leider sind die Gründe, die zum Rücktritt des
Ausschusses führten, unbekannt. Es ist jedoch zu vermuten, daß auch im Bürgerverein, ähnlich
wie in der Museumsgesellschaft, verschiedene politische Auffassungen aufeinanderprallten und
zu Auseinandersetzungen führten. Die allgemein mit politischen Ereignissen angefüllten Jahre
schlagen sich somit in der Geschichte des Bürgervereins nieder.

184 Ebd. (Schreiben vom 14.2.1849).

185 Vgl. unten, S. 86 ff.

186 StAS Ho 235, VIII, F.4., No.943 (Schreiben vom 22.2.1849) und Statuten, Bürgerverein, 1857, §2:
Keine Schließzeit mehr angegeben.

187 StAS Ho 199, FOA Nr. 1901 (Beschwerde, 25.1.1849).

188 Ebd. (Schreiben des Oberamts vom 14.2.1849).

189 Ebd. (Schreiben des Bürgervereins vom 28.2.1849).

190 Ebd. (Verhandlungsprotokoll vom 2.3.1849).

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