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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1987/0129
Die Museumsgesellschaft und der Bürgerverein in Sigmaringen

schaftsordnung seine Entwicklung zu geistiger und politischer Reife zu fördern 55°. Um diesen
Zweck zu erreichen, waren folgende Mittel vorgesehen: Unterricht, Vorträge, Besprechungen,
die Beschaffung von Zeitschriften und Büchern, gesellige Unterhaltungen und die Pflege des
deutschen Liedes. Verboten waren konfessionelle und politische Umtriebe551. Mitglied konnte
jeder Arbeiter von unbescholtenem Ruf ohne Unterschied der Konfession werden552. Die ganze
Organisation des Vereins mit Mitgliedsaufnahme, Wahlen, Ausschüssen etc. entsprach im
wesentlichen derjenigen der frühen Lesegesellschaften. Neben der Bibliothek und der Veranstaltung
von Vortrags- und Diskussionsabenden bildete die Chorarbeit das wesentlichste
Element des geselligen Lebens innerhalb des Vereins553. So war der Verein ein gemischter
Geselligkeits-, Lese- und Gesangsverein. Mitgliederlisten des Vereins waren nicht aufzufinden
, doch ist zu vermuten, daß die Mitglieder aus ähnlichen Bevölkerungsschichten stammten
wie die des »Pfeifenclubs«. Interessanterweise wurde der »Arbeiterbildungsverein« nicht wie
Museum und Bürgerverein 1935 aufgelöst, sondern er konnte seine Tätigkeit auch unter den
nationalsozialistischen Machthabern fortsetzen, war aber vermutlich gleichgeschaltet554.

Zusammenfassend lassen sich einige Entwicklungslinien im Sigmaringer Vereinswesen
aufzeigen. Einmal ist ein »Absinken« des Vereinswesens in niedere Bevölkerungschichten
festzustellen. Die erste Gründung einer Lesegesellschaft ging von der bürgerlichen Oberschicht
aus, und die Mittelschicht folgte diesem Beispiel. Späte Gründungen geselliger Vereine
zeigen nochmals, wie weitere Bevölkerungsschichten bzw. neu sich entwickelnde Bevölkerungsschichten
Vereine dieses Typus ausbildeten. Ein korrespondierender Vorgang läßt sich
bei den Gesangsvereinen beobachten. Diese Entwicklung in Sigmaringen, das »Absinken« der
Vereine, ist recht typisch für die allgemeine Entwickung des Vereinswesens: In dem Maße, wie
das »Volk« »mit wachsendem Selbstbewußtsein seine Gleichberechtigung gewinnt«, in dem
Maße »sinkt« auch das Vereinswesen in das »Volk« ab555.

Aber nicht nur für Bevölkerungsschichten innerhalb der Stadt gaben Museumsgesellschaft
und Bürgerverein ein Beispiel ab, sondern auch für die Nachbarorte, wofür die zahlreichen
Neugründungen ähnlicher Vereine in der Zeit des Vormärz Zeugnis ablegen. Sie dokumentieren
das wachsende Selbstbewußtsein der Bürger jener Zeit und deuten auf eine gewisse
Politisierung der Bürger hin. Diese erreichte dann 1848 ihren Höhepunkt mit der Gründung
explizit politischer Vereine, die schon den Charakter von Parteien trugen, und der Gründung
des republikanischen Turnvereins. So wird auch innerhalb des Sigmaringer Vereinswesens die
allgemein stattfindende Politisierung der Vereine ersichtlich556.

Eine weitere allgemeine Tendenz der Vereinsentwicklung, die zunehmende Spezialisierung
, ist ebenfalls bei den Sigmaringer Vereinen zu beobachten557. Schon bald nach Entstehen
der allgemeinen Geselligkeits- und Lesevereine werden Vereine mit besonderen Zielsetzungen
, wie z.B. Gesangsvereine, gegründet.

Interessant sind die personellen Verflechtungen unter den einzelnen Vereinen, hauptsächlich
zwischen Museumsgesellschaft, Vaterländischem und Konstitutionellen Verein, Männer-

550 Satzungen des Arbeiterbildungsvereins, Sigmaringen 1923. In: Pfaff, Zur Geschichte der Vereine.
Handschr. Manuskript, LBS, D 4-358.

551 Ebd., Satzungen, Arbeiterbildungsverein.

552 Ebd.

553 Vgl. dazu: StAS, Dep. t, NAK, Nr. 113.

554 Verbo. HVZ, 1935, Nr. 13. In dieser Ausgabe wird von einem heiteren Familienabend des Arbeiterbildungsvereins
im Volksbildungsheim >Lamm< berichtet. Aus einer Ankündigung des Arbeiterbildungsvereins
(in: Verbo. HVZ, 1935, Nr. 264) geht hervor, daß er seine Lesestube über den Winter im
Volksbildungsheim eröffne.

555 So Freudenthal (wie Anm. 12) S. 459. Vgl. dazu auch Nipperdey (wie Anm. 13) S. 186 f., Anm. 48.
Nipperdey bringt das Beispiel Stuttgarts, wo sich neben der »Museums-Gesellschaft« der Oberschicht
eine mittelständische »Bürgergesellschaft« bildete.

556 Vgl. dazu: Nipperdey (wie Anm. 13) S. 195-202, besonders S. 201 f.

557 Vgl. ebd., S. 190ff.

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