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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1987/0133
Die Museumsgesellschaft und der Bürgerverein in Sigmaringen

intermediäre Organisation zwischen Individuum und Staat, die Konstitutionalismus und
Demokratie, reale Mitwirkung der Gesellschaft am Staat erst ermöglichte579.

Als konkrete Wirkung des Museums nach außen, als Anstoß zur Emanzipation der
mittelständischen Schichten, ist ferner die Gründung des Bürgervereins zu betrachten, für den
das Museum beispielgebend war. Im gleichen Sinn wirkten sich beide Vereine auf die
Vereinsgründungen in den Nachbarorten Sigmaringens aus.

Im Revolutionsjahr 1848 waren Mitglieder des Museums maßgeblich an den politischen
Ereignissen beteiligt und befanden sich in führenden Positionen, vor allem auf sehen der
Liberalen und der radikalen Demokraten580. Ein großer Teil der Museumsmitglieder betätigte
sich also politisch in der Öffentlichkeit. Die private Diskussion innerhalb der Vereine konnte
öffentlich wirksam und »über den Prozeß der Bewußtseinsbildung selbst politisch virulent«581
werden.

Ein ähnlicher Prozeß der Bewußtseinsbildung läßt sich auch beim Bürgerverein feststellen.
Schon das 1835 gewählte Motto des Vereins582 zeugt von einem gesunden Selbstbewußtsein.
Die späteren Forderungen des Vereins nach Erweiterung seiner Rechte, das Wissen um seine
Rechte583 und die Beschäftigung mit (lokal) politischen Themen584 verdeutlichen die politisierende
Funktion des Vereins. Ein aktives politisches Handeln ist 1848 wenigstens für einige
Bürgervereinsmitglieder nachweisbar.

Allerdings war auch der Bürgerverein kein explizit politischer Verein, wie seine Gründung
am Geburtstag des Fürsten zeigt. Er ist eher zu jenen Handwerkervereinen zu rechnen, »in
denen sich bürgerlicher Einfluß beispielsweise in Gestalt politischer Enthaltsamkeit und
Konzentration auf Bildung und Ausbildung niederschlug« 585. Das bedeutet jedoch nicht, daß
der Verein nicht doch (indirekt) politisch wirksam werden konnte und, wie das Museum,
ambivalent zu betrachten ist.

Welche Entwicklung nahmen die Vereine nach 1848? Die Museumsgesellschaft wurde
nochmals gesellschaftspolitisch wichtig. Sie diente, wie wohl auch schon früher bei den aus
dem Ausland kommenden fürstlichen Beamten, als Integrationsfaktor zur Eingliederung der
preußischen Beamten in die Sigmaringer Gesellschaft. Ebenso bedeutet die weitere Einbeziehung
der Frauen in das Museum einen wichtigen Schritt, bei dem die allmähliche Emanzipation
der Frau sichtbar wird. Das gleiche gilt für den Bürgerverein.

Ansonsten blieb die Museumsgesellschaft eher konservativ, was zum einen die unveränderte
soziale Zusammensetzung ihrer Mitgliederstruktur zeigt: Die Mitglieder kamen immer
aus besser gestellten Kreisen, und eine Öffnung des Vereins fand nicht statt586. Zum anderen
vermitteln auch die Zeitungsprogramme eine konservative Tendenz, die wohl einer allgemeinen
staatsbürgerlichen Anteilnahme der Mitglieder an der Politik und einer höchstens
national-liberalen Ausrichtung entspricht.

Parallelen hierzu finden sich beim Bürgerverein. Die Mitgliederstruktur weist ebenfalls
eine relativ starke Kontinuität auf. Die Bibliotheksbestände deuten auf ein allgemeines
deutsch-nationales politisches Interesse hin. Das weitere Lektüreangebot aus Belletristik,

579 Zit. n.: Nipperdey (wie Anm. 13) S.204.

580 Nochmals sei daran erinnert, daß fünf von acht Vorstandsmitgliedern des »Vaterländischen Vereins«
in der Museumsgesellschaft waren, und daß von dem siebenköpfigen Vorstand des »Konstitutionellen
Vereins« immerhin zwei Personen Mueumsmitglieder waren.

581 Nipperdey (wie Anm. 13) S. 195.

582 Wer ist das würdigste Glied eines Staates? Ein wahrer Bürger; unter jeder Form bleibt er der edelste
Stoff (Statuten, 1836).

583 Vgl. oben, S.78f.

584 Vgl. über die Bibliothek des Bürgervereins oben, S. 114 f.

585 Tenfelde (wie Anm. 14) S.266.

586 Diese Verfestigung der Mitgliederstruktur läßt sich auch bei anderen Lesegesellschaften feststellen,
wie z.B. beim Museum in Weimar (vgl. Marwinski [wie Anm. 11] S.287).

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