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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1987/0265
Besprechungen

geistlichen Institutionen, die bekanntlich weit über das Territorium hinausreichte. Anhand von Bevölkerungsbewegungen
, wirtschaftlichen Verbindungen u. a. kommt Hecht zu dem Ergebnis, daß Rottweil in
der Vergangenheit stärker nach Süden und Westen hin orientiert war. Die Stellung eines Vororts am
oberen Neckar habe die Reichsstadt nur zeitweilig angestrebt, lediglich teilweise durchgesetzt und
höchstens kurzfristig behauptet.

Nur sehr spärlich waren die Beziehungen der Reichsstadt Reutlingen zum Land am oberen Neckar, so
daß man auf den Beitrag von Paul Schwarz eigentlich hätte verzichten können. Originell ist er aber
allemal, wissen wir jetzt doch, daß von den rund zweieinhalbtausend Totschlägern, die von 1500 bis 1800
das Reutlinger Asyl aufgesucht haben, immerhin 204 aus dem Altkreis Tübingen kamen, 39 aus dem Kreis
Horb und 24 aus dem Kreis Rottweil.

Im abschließenden Aufsatz untersucht Eberhard Naujoks, anknüpfend an den Vorspann von K.-
H. Schröder, die Industrialisierung des oberen Neckarraums. Einstiegspunkt ist dabei der Bau der oberen
Neckarbahn 1861/65, die freilich zunächst der Landwirtschaft zugute kam, denn bis in die 80er Jahre
hinein könne man bei den Städten trotz Verkehrserschließung nur von einer zögernden Industrialisierung
sprechen. In Einzelbetrachtungen wird dann die industrielle Entwicklung oder Nicht-Entwicklung in den
alten und neuen Städten (Spaichingen 1828, Schwenningen 1907, Trossingen 1927) geschildert, allerdings
nur bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt stehen dabei diejenigen Firmen, die Weltruhm
erlangt haben, wie Mauser in Oberndorf, Hohner in Trossingen oder Schlenker und Kienzle in
Schwenningen. Die Ausführungen gründen fast ausschließlich auf der vorhandenen Literatur über
Industriestandorte oder Firmen. Von der württembergischen Statistik (Gemeindestatistik 1898/1907)
wurde nur sparsam Gebrauch gemacht.

Die etwas ausführlicher geratenen Einzelkritiken dürften gezeigt haben, wie schwierig es für den
Historiker ist - und um historische Beiträge handelt es sich ja überwiegend - sich an einen vorgegebenen
geographischen Rahmen zu halten. Aus gutem Grund ist der Ritterschaft einerseits und den Städten
andererseits viel Platz eingeräumt worden, auch wenn die Koordination der einzelnen Beiträge zu
wünschen übrig läßt. Fast gar nichts erfährt man über die Dörfer und die Verhältnisse der bäuerlichen
Bevölkerung. Schlecht weg gekommen ist auch die Kirchengeschichte, was angesichts des in der
Einleitung gerühmten Reichtums an Kirchen, Wallfahrtskirchen und Klöstern doch etwas überrascht. Bei
der politischen Zersplitterung und konfessionellen Mischlage des Gebietes wäre eine politische Karte
durchaus angebracht gewesen. Vermag der Band auch kein geschlossenes oder umfassendes Landschaftsbild
zu vermitteln, so bringt er doch eine Fülle von neuen Einzelerkenntnissen über dieses interessante
Gebiet, das nun nicht mehr zu den von der Forschung vernachlässigten gezählt werden kann.

Tübingen Hans Peter Müller

Hans Boldt: Deutsche Verfassungsgeschichte. Politische Strukturen und ihr Wandel. Bd. 1: Von den
Anfängen bis zum Ende des älteren deutschen Reiches 1806. München: Deutscher Taschenbuch
Verlag 1984. 378 S.

Deutsche Verfassungsgeschichte wurde traditionell entweder von Historikern oder Juristen geschrieben
. Der Verfasser des vorliegenden ersten Bandes einer auf zwei Bände angelegten Gesamtdarstellung im
handlichen Taschenbuchformat ist nach dem Studium des Rechts, der Geschichte und der Politischen
Wissenschaften als Politologe tätig. Als zentralen Gegenstand der Verfassungsgeschichte betrachtet Boldt
»die aus einer staatlich verfaßten Gesellschaft ausdifferenzierte und relativ selbständige Sphäre des
>Politischen<, d.h. den institutionalisierten Zusammenhang bewußter gesellschaftssteuernder Entscheidungen
, ihre Ausführung, Legitimation und Kontrolle« (S. 12). Gleichwohl will der Verfasser bei aller
Konzentration auf die Beschreibung des strukturellen Wandels politischer Ordnungen die sozialen
Bedingungen und Auswirkungen ebensowenig vernachlässigen wie rechtsgeschichtliche Bezüge und
Berührungspunkte zur Kulturgeschichte und »politischen Geschichte« im herkömmlichen Sinn.

Die Perspektive der Darstellung ist dementsprechend doch sehr breit und berücksichtigt alle verfassungsgeschichtlich
relevanten Ergebnisse der Forschung. Natürlich können sie im Rahmen einer auf zwei
Bände angelegten umfassenden deutschen Verfassungsgeschichte oft nur sehr summarisch und abstrakt
wiedergegeben werden. Wie Boldt selbst in seinem Vorwort betont, erfordert sein Buch, das »Strukturbetrachtungen
und entwicklungshistorische Erörterungen« im Wechsel bieten soll, »gewisse historische
Vorkenntnisse und die Bereitschaft..., vom einen zum anderen Kapitel unterschiedlichen Perspektiven zu
folgen« (S. 5). Ob die im Anhang aufgelisteten »Daten zur deutschen Verfassungsgeschichte bis 1806«, die

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