Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 10
(PDF, 60 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0012
Hans-Dieter Lehmann

Die Angaben der Diebtungen zum historischen Hintergrund

Als Auftakt zur Schilderung des Kampfes im Wasgenwald berichtet der Dichter die lange
Jahre zurückliegende Vorgeschichte: vom Zug des Attila und seiner Hunnen nach Westen.
Von drei selbständigen Reichen waren Zahlungen und Geiseln erpreßt worden: vom Frankenreich
des Gibicho Hagen - anstelle des noch zu jungen Gunther -, Hildegunde als Tochter
eines an Rhone und Saöne herrschenden Henrich, Walther als Sohn des Alpher von Aquitanien
.

Der Höhepunkt des lateinischen Epos ist der Kampf zwischen den alten Freunden und
Waffengefährten: Walther, Hildegunde und Hagen waren, als Geiseln verschleppt, gemeinsam
am Hofe des Hunnenkönigs Attila aufgewachsen. Als Walther und seine Verlobte unter
Mitnahme des Hunnenschatzes in die Heimat fliehen, wird ihnen dieser vom Frankenkönig
Gunther abgefordert. Erfolgreich wehrt Walther die Uberzahl der fränkischen Vasallen ab,
unter welchen sich auch der schon früher entwichene Hagen befindet. Übrig bleiben im
blutigen Kampf nur Walther, Hagen und Gunther, blessiert alle drei.

Die verschiedenen Heldenlieder geben uns für namensgleiche Personen in einigen Fällen
unterschiedliche volks- oder stammesmäßige Zuordnungen. Eine »sichere« Verbindung zu
einer historischen Persönlichkeit läßt sich eigentlich nur knüpfen im Fall des Hunnenkönigs
Attila, dem Etzel des Nibelungenliedes. Die Namen Gibicho und Gunthari lassen sich mit
Namen aus der burgundischen Herrscherreihe verbinden. Die folgende Aufstellung gibt einen
Uberblick über die Zuordnung:

im Waltharius-Epos: Attila = Hunne, Aware

Gibicho, Gunthari, Hagano und die Mitstreiter mit Ausnahme
des »Sachsen« Ekkifried = Franken
Henrich und Hildegunde aus Cabillonum (Chalons-sur-
Saöne in Burgund)

Alphere und Walthari: aus Aquitanien
im Waldere-Fragment: Gudhere: König der Burgunder
im Nibelungenlied: Gunther, Gibich, Hagen = Burgunder

Walter: »von Spanien«
im Rolandslied: Walter: »del Hun«

Auffällig ist dabei vor allem die unterschiedliche Aussage über die Herkunft des Haupthelden
des Walthari-Liedes sowie die Bezeichnung »Franken« für seine Gegner im Waltharilied.

Im Walthari-Lied - wie in der germanischen Tradition allgemein - wird das Bild des
Hunnenkönigs Etzel recht positiv gezeichnet. Weniger gut kommen die »Franken« hier weg.
Ihr Anführer Gunther ist habgierig und feige. Nicht immer entspricht ihre Kampfesweise dem
Comment der germanischen Heldensage: Walther wird von vier Gegnern gleichzeitig
bedrängt (v. 996) und im Endkampf ebenfalls von zwei Gegnern angegriffen (v. 1285). An
Hadawart lobt er ausdrücklich dessen Fairness - Mann gegen Mann unter gleichen Bedingungen
; dessen Forderung nach Walthers Schild zeugt jedoch von Unverschämtheit. Hagen
handelt treulos am Freund; er macht den Vorschlag, Walther aus der für ihn günstigen
Position zu locken (v. 1116). Falsch und vordergründig sind die Argumente, mit welchen er
sein Eingreifen in den Kampf gegen den Freund zu rechtfertigen sucht (v. 1266). Diese anti-
»fränkische« Grundtendenz ist in der Karolingerzeit unverständlich, selbst dann, wenn der
Dichter auf alamannischem oder bairischem Gebiet geschrieben haben sollte.

Die Sicht des Dichters, der den Stoff im 9./10. Jahrhundert in die mittellateinische Form
goß, ist von jüngeren Ereignissen beeinflußt, als sie dem vermutlichen geschichtlichen
Hintergrund entsprechen. Für ihn sind die Awaren die Gefahr aus dem Osten - sie werden
statt der Hunnen genannt in v. 40 und v. 555. Die echten Hunnen sind für den Dichter weit
zurückliegende Vergangenheit: Attila und sein Reich leben fort im Nibelungenlied, die

IC


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