Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 11
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0013
Zum historischen Hintergrund des Walthari-Liedes

Erinnerung an weiter zurückliegende Ereignisse ist verblaßt. Die Zerstörung des Burgunderreiches
von Worms - im Jahr 436 n. Chr. durch Hunnen im Auftrag des Römers Aetius - war
vielleicht Hintergrund für die Entstehung der Nibelungensage. Vergessen hingegen war der
Hunnenzug nach dem Westen im Jahre 384 n. Chr., der lange Jahre vor der Herrschaft Attilas
(435—453) lag. Die Einstellung des Dichters des Waltharius - genauer: die seiner Vorlage -
wäre verständlicher, wenn man »Römer« an die Stelle von »Franken« setzt. Deren Bild
zeichnet die germanische Sage weniger positiv.

Zur Eliminierung der aufgeführten Unstimmigkeiten wird die Hypothese aufgestellt, daß
der im Walthari-Lied verarbeitete historische Stoff auf Ereignisse an der Wende des 4. zum
5. Jahrhundert zurückgeht:

- daß hier die Weströmer des ausgehenden 4. Jahrhunderts ins Auge zu fassen sind, das heißt
weder Franken noch Burgunder, wohl aber deren Vorgänger dort, wo dem Dichter zu
seiner Zeit die Präsenz dieser Völker bekannt war. Dies erklärt auch die Bemerkung der
Zeile 34: Burgund als Landschaft stand zur Zeit des Hunnenzugs unter der tatkräftigen
Leitung des Henrich. Daraus ist keineswegs dessen Funktion als der eines Herrschers der
Burgunder ableitbar. Diese saßen zur Zeit des Geschehens noch an den römischen
Reichsgrenzen und nicht tief im Innern Galliens;

- daß das auslösende Ereignis der Hunnenzug von 384 n. Chr. war, den der römische Kaiser
Valentinian II. als Maßnahme gegen die im Vorjahr in Rätien eingefallenen Juthungen
veranlaßt hatte;

- daß Rom dabei Teufel mit Beelzebub ausgetrieben hatte: Nur ein immenses Lösegeld
hinderte die »Helfer« an der Plünderung Galliens. Hagen und Hildegund waren dazu als
Geiseln aus den gallischen Provinzen Westroms gestellt worden, Walther aus dem zwar
nicht mehr römisch besetzten, aber immer noch zum römischen Interessengebiet gehörenden
südlichen Inneralamannien zwischen Schwarzwald und Donau;

- daß dieses Gebiet von den aus Rätien abgewehrten Juthungen und Sueben besetzt wurde
während der Zeit der Geiselschaft Walthers und Hildegunds am Hunnenhof. Das Ziel der
rückkehrenden Geiseln mußte sich deshalb während der Flucht ändern;

- daß das Walthari-Lied eine Tradition aus Inneralamannien, aus der Alamannia Prima ist. Sie
ist dort an der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert entstanden in der Zeit der elbgermanisch-
suebischen Landnahme und wurde in der Unterschicht dieses Gebiets überliefert.

Diese Behauptung wird sowohl aus dem lateinischen Epos selber als auch aus anderen
Quellen zu belegen versucht.

Namen und Herkunft von Walthers Gegnern

Das hartnäckige Beharren des Gunther und seiner Mannen auf Herausgabe des Hunnenschatzes
deutet der Dichter als Habgier eines Germanenkönigs; mit ihm bestreitet noch
Genzmer* jegliche Berechtigung dieser Forderung. Vor dem vermuteten historischen Hintergrund
stellt sich die Sachlage ganz anders dar: Nach dem Zeugnis des Bischofs Ambrosius von
Mailand (Epist. XXIV 8)4 hatte Valentinian die Hunnen und Alanen - gegen die in Rätien
eingefallenen Juthungen selber zu Hilfe gerufen - nur durch hohe Goldzahlungen von der
Plünderung Galliens abhalten können. In diesem Zusammenhang waren wohl auch Geiseln
aus vornehmen Familien von dort gestellt worden. Wenn nun Jahre später die erpreßten
Kostbarkeiten unvermutet in den römischen Machtbereich zurückgelangten, dann war die
Rückforderung für hohe römische Beamte aus Metz (Camalo), Straßburg (Trogus), Speyer
(Tanastus) oder Worms (Hadawart und Gerwit) genauso Pflicht und Schuldigkeit wie für den

3 F. Genzmer: Das Waltharilied und die Waldere-Bruchstücke. 1982, Anm. zu v.470.

4 Quellen zur Geschichte der Alamannenll: Von Libanios bis Gregor von Tours. Ubersetzt von
C. Dirlmeier, kommentiert von G. Gottlieb. 1979, S.27.

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