Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
24/25(111/112).1988/89
Seite: 16
(PDF, 60 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1988-89/0018
Hans-Dieter Lehmann

Nicht überstrapazieren als Parallele zur keltischen Sage möchte ich das Motiv des Köpfeab-
schlagens. Ein ganz konkreter Hinweis auf einen Zusammenhang mit »Kelten« geht in v. 765
in der gängigen Ubersetzung unter: »celtica lingua te probat ex illa gente creatum ...«. Das
übliche »dein Kauderwelsch« wird dem Text hier keinesfalls gerecht: Walther wird von
seinem Gegner Ekkifrid in keltischer Sprache angeredet - und versteht ihn! In Gallien wäre
dies im 4. Jahrhundert nicht ungewöhnlich. Dort lebte die Sprache noch auf dem flachen Land,
und sogar für Trier ist dies durch den heiligen Hieronymos bezeugt. Die Episode wäre auch
verständlich, wenn Ekkifrid britisch spräche. Das Epos läßt ihn im Lande der Sachsen geboren
sein. Für den Dichter ist die britische Insel infolge der späteren angelsächsischen Invasion
mittlerweile zum Land der Sachsen geworden. Daß um 400 n. Chr. im gallischen Heer auch
Briten eine Rolle spielten, geht aus dem oben angeführten Brief des Bischofs Ambrosius (vgl.
Anm. 4) beziehungsweise aus dessen Adressat hervor: er ist an Magnus Maximus gerichtet, der
die Herrschaft in Gallien mit dem zuvor in Britannien stehenden Heer usurpiert hatte.

Schlußfolgerungen aus den archäologischen Befunden

Weitestgehend passen somit die aus von einander unabhängigen Quellen erschlossenen
Zusammenhänge zusammen. Sie ergeben einen Sinn nur für das späte 4.Jahrhundert: Der
Wilhere (Gallovare) Walther verlor seine Heimat am Neckar an die Sueben. Von den
Umwälzungen dieser unruhigen Zeit zeugen Befunde vom Runden Berg bei Urach": ein
erster Zerstörungshorizont an der Wende vom 4. zum 5. Jahrhundert und eine darauf folgende
stärkere Schichtung der Sozialstruktur in der fortbestehenden Bergsiedlung. Dazu paßt, daß
zu dieser Zeit die nachrömische Besiedlung einiger Römervillen und die Münzreihen in
ehemaligen Römerorten abreißen (vgl. Anm. 15). Kulturell dürften sich die rebarbarisierten
Wilheri-Alamannen keltischer Herkunft kaum von ihren elbgermanischen Nachbarn unterschieden
haben - so wenig, wie etwa später die Briten der Arthurzeit sich von den sie
bedrängenden Angelsachsen.20

Es mag ein eigenartiges Unterfangen sein, im 20. Jahrhundert aus mittelalterlichen Texten
auf einen Barbarenstamm des 4. Jahrhunderts schließen oder mitten in Europa einen unbekannten
Stamm entdecken zu wollen. Alle Indizien sprechen dafür, daß das Keltentum der
Unterschichten in Teilen Süddeutschlands später als bislang vermutet im Deutschtum aufgegangen
ist. Einige Fragen - etwa die nach dem Ursprung der althochdeutschen Lautverschiebung
in Inneralamannien - erscheinen in einem anderen Licht.

Im Walthari-Lied selber finden sich Zeugnisse für das hohe Alter des hier verarbeiteten
historischen Stoffes. Schon von den Steinen21 fiel als eine Reminiszenz an lange vergangene
Zeiten die Franziska22 als Waffe in der Hand des Gerwit (v. 919) auf. Für den historischen
Wahrheitsgehalt des Walthari-Liedes zeugt die Stellung, die der Held vor seiner Flucht am
Hunnenhof einnahm. Um die Mitte des 5. Jahrhunderts berichtet von dort eine Delegation aus
Byzanz von einer international basierten Führungsschicht, den Logades.23 Es ist unwahrscheinlich
, daß der Dichter des mittelalterlichen Liedes eine frühere Institution frei erfunden
hat, die in den folgenden Jahrhunderten keine Parallele hatte. Direkten Bezug auf das hohe
Alter des Liedes - schon in der Sicht des mittelalterlichen Dichters - nehmen die Schlußzeilen,
die so unverständlich waren, daß Genzmer (vgl. Anm. 18) ihre ursprüngliche Zugehörigkeit

19 U. Koch, B. Kaschau: Ausgrabungen auf dem Runden Berg bei Urach, Kreis Reutlingen,
1967-1984. In: Archäologische Ausgrabungen in Baden-Württemberg 1984. 1985, S. 169.

20 L. Alcock: Arthur's Britain - History and Archaeology AD 367-634. London 1971.

21 W. von den Steinen: Der Waltharius und sein Dichter. In: Zeitschrift für deutsches Altertum und
deutsche Literatur 84. 1952/53, S.43.

22 U. Dahmlos: Francisca - bipenmis - securis. Bemerkungen zu archäologischem Befund und schriftlicher
Überlieferung. Germania55. 1977, S. 141 ff.

23 J.Werner: Zur Archäologie des Attilareiches. 1956.

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